Vorschau

Ausstellung No. 77   26.04. - 31.08.2025

 

 

Der Mensch träumt vom Fliegen. Über den Wolken und untendurch.

Die Kirche im Dorf von oben sehen, das Wirtshaus und das Gehöft vom Bauern.

 

Auch ich träume vom Fliegen. Und weil Deutschland das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist, habe auch ich mir einen Flieger gekauft, Quadrokopter heißt er. Nein, der hat nicht vier Köppe, sondern vier Propeller. Und eines Tages habe ich ihn genau hier, über das Land fliegen lassen, frei aber mit behördlicher Genehmigung, weil Deutschland wie schon gesagt ja das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, aber auch Vorschriften ist. Und von hier unten mit beiden Beinen fest auf dem Brandenburger Boden habe ich mir die Bilder von oben angeschaut auf einer Bank sitzend. Denn eigentlich habe ich ja Flugangst. Und auf dem kleinen Monitor unten am Boden hab ich es dann gesehen: Der TRAFO steht an einem Kreuzweg.

 

Das hat man natürlich schon vom Boden aus gesehen, aber als ich dieses Muster der drei Wege im staubigen Spätsommer wahrgenommen habe, ist mir ein Gedanke durch den Kopf gegangen. Eigentlich hat jeder Weg seine Richtung und auch seine eigenen Geschichten. Geschichten vom Leben der Menschen hier, von der Arbeit auf dem Acker, die Plage, aber auch die Freude, wenn das Korn im Schober und das Heu im Stall ist. Aber diese Wege erzählen auch Geschichten vom Ankommen, Bleiben und vom Weggehen. Und hier am TRAFO treffen sich diese drei Geschichten.

Ankommen, Bleiben, Weggehen. Dieser ständige Wechsel im Leben der Menschen prägt Regionen, Länder und Kontinente, aber auch das Denken und Handeln.

 

Bemühungen der Toleranz und Akzeptanz der Lebensgewohnheiten und Sichtweisen auf Natur und Gesellschaft müssen oft auf steinigen Wegen neu entdeckt werden.

 

Die Brandenburger Malerin Alexandra Weidmann und die Bühnen- und Kostümbildnerin Sabine Pommerening  haben eine Installation mit drei Bildern - extra zu diesem Thema von Alexandra Weidmann gemalt-  für die Galerie TRAFO.1 erstellt. Dabei sind drei Bilder entstanden, die stellvertretend für die drei Begriffe Ankommen, Bleiben und Weggehen stehen. Sabine Pommerening hat dafür einen Raum geschaffen, der die Wegkreuzungen und die Spuren der Menschen durch die Zeit und über die Zeit hinaus verdeutlicht.

 

Die Drei Wege sollen daran erinnern, dass weit über zwölf Millionen Flüchtlinge und Vertriebene nach 1945 auf der Suche nach einer neue Heimat waren. Viele haben dieses Martyrium nicht überlebt. Für sie bedeutete das Ende des Krieges noch lange nicht das Ende des Leidens, sondern war oft erst der Anfang einer qualvollen Zeit, die in dem unumstößlichen Verlust ihrer Heimat mündete.

 

Angekommen in der Fremde mussten sie  mit leeren Händen den Neuanfang versuchen. Haus, Hof, Hab und Gut haben sie zurücklassen müssen. Diese Erlebnisse und Geschichten haben sich in das kulturelle Gedächtnis Europas eingebrannt.

 

Bereits in grauer Vorzeit, ungefähr seit dem Jahr 375 war ganz Europa bis hin zum Schwarzen Meer im Umbruch, die meisten Völker verlassen ihre alten Siedlungsgebiete, um neue zu erobern. Das war der Beginn vom Ende des Römischen Reiches.

 

Mit der sogenannten Flüchtlingskrise und deren Reflexion durch die populäre Medienlandschaft im Sommer 2015 hat auch das Thema "Völkerwanderung" neue Aktualität gewonnen. Zeitungsbeiträge, Radiofeatures und Fernsehdokumentationen überbieten sich seitdem in der Diskussion möglicher Parallelen. Es wird darüber heftig gestritten, wie wir mit dieser Krise umgehen. Dabei wird aber oft vergessen, dass wie schon vor hunderten von Jahren die Menschen aus ihrer angestammten Heimat fliehen, weil Hunger und Krieg, Dürre und Vertreibung ein Leben dort nicht mehr möglich macht. Und auch nicht vergessen sollten wir, dass jeder Mensch ein Recht hat, auch einen  Teil vom Glück am Leben abzubekommen. Auch wenn er nur ganz klein ist.

Aber in Deutschland gibt es heute eine „neue Landlust“: Immer mehr Großstädter wandern ab und suchen ihr Glück im Dorfleben. Fast drei Jahrzehnte kannte die innerdeutsche Migrationsbewegung vorwiegend eine Richtung: Die Menschen zogen in Großstädte, viele ländliche Regionen verloren Einwohner. Doch es zeichnet sich eine Trendwende ab: Dörfer und Kleinstädte werden als Wohnorte wieder beliebter.

 

Die Autorin und Juristen Juli Zeh hat mit ihrem Roman „Unterleuten“ der Provinz sogar ein Denkmal gesetzt. „Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf in Brandenburg wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten. Doch hinter den Fassaden der kleinen Häuser brechen alte Streitigkeiten wieder auf.“ So Juli Zeh.

 

Wir haben den Blick für das Wesentliche verloren: unser Wohlergehen und das der Natur. Wir leben in engen Städten. Wir arbeiten viel, um immer mehr zu konsumieren, wir wollen überall Zeit sparen, um sie dann beim hauseigenen Psychologen wieder abzusitzen.

 

Den richtigen Raum zum Leben für sich zu finden, braucht aber eben auch die Geschichten. Die Geschichten, die die Menschen hier erzählen vom Ankommen, Bleiben und manchmal auch vom Weggehen.

 

Alexandra Weidmann hat in ihren Bildern einen Augenblick, eine Haltung, ein Nachdenken über diese Wege im Leben der Menschen festgehalten. Zeitlos in den Figuren, kräftig in den Farben und nachdenklich in der Haltung. Wir alle wissen nicht, wohin es uns treiben wird. Wir sind gekommen, aber sind wir schon angekommen? Werden wir weiterziehen. Wo ist unser Glück zuhause.

Aber eine Hoffnung bleibt, wenn sie auch derzeit zu schwinden scheint: Kein Krieg sollte uns jemals wieder aus unserer Heimat vertreiben. Auch daran soll diese Ausstellung uns erinnern und mahnen.

 

( M.Pommerening/ 26.4.2025/ Regenmantel)

Ausstellung   22.03. 2025 bis 15.04. 2025

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© Michael Pommerening KunstRegen 2019