Worte

 

Weihnachten – das Fest der Träume, der Familie, der prall gefüllten Geschenksäcke und üppig gedeckten Tafeln steht vor der Tür. Zeit auch der Märchen und Geschichten.

 

Jetzt, wenn im Dezember die kalten Winterwinde den ganzen alten Müll von Straßen und Feldern wehen, der Schneesturm uns die Tränen in die Augen treibt und wir irgendwie auch darauf warten, ein Neues Jahr anzugehen, bleiben aber trotz allem einige wenige Erinnerungen an Vergangenes.

 

An Menschen, die uns begegnet sind, an unsere Kinder und Enkel die uns Freude gebracht und etwas Aufmerksamkeit genommen haben, an eine Liebe und vielleicht auch eine Trennung und an die vielen kleinen Geschichten die bleiben werden. Schon immer hat man sich in dieser Jahreszeit Geschichten erzählt und diese weitergetragen. Zuerst mündlich und dann -den Gebrüdern Grimme sei Dank- auch aufgeschrieben.

1827 hat Wilhelm Hauff eine Geschichte, die im Schwarzwald erzählt wurde, aufgeschrieben, die im Lauf der Jahre als Sinnbild für die böse Saat von Raffgier, Geiz und Geldgier sich einen festen Platz in der Märchen- und Allegorien Welt gesichert hat. Die Geschichte um Kohlenmunk Peter, Holländer Michel und Glasmännlein auch als das Märchen „Das kalte Herz“ bekannt, handelt von dem faustischen Pakt GELD FÜR LEBEN.

 

Immer wieder wird diese Geschichte erzählt als Mahnung an alle, die lieber mit einem kalten Herzen in Reichtum und Prunk leben wollen, als barmherzig und sozial unter Gleichen.

 

Heute zeigt Sabine Pommerening einen kleinen Ausschnitt aus ihrer Arbeit zu diesem Märchen, welche im Jahr 2006 unter der Regie von Herbert Olschok im Theater Dessau auf die Bühne gebracht wurde.

Immer wieder suchen Künstler wie Sabine Pommerening nach Wegen die Figuren und die Handlungsorte aus ihrem Märchenschlaf in die heutige Zeit zu holen. Gerade im Kalten Herz wird deutlich, wie aktuell diese Geschichte ist, wie sehr manche Menschen in ihrer rücksichtslosen Jagd nach Besitz und Reichtum sich von den wahren humanistischen Werten eines sozialen Miteinander entfernen. Man muss wirklich nicht Marx zitieren, um die böse Macht von Gewinn und Profit zu entlarven. Kalte Herzen gibt es heute allerorten, sie begegnen uns immer, wenn Schwache, Alte und von der Gesellschaft vergessenen Menschen an den Rand gedrängt werden und von den Kaltherzen nur mit Verachtung gestraft werden.

 

Wir brauchen diese Geschichten und Märchen auch, weil sie ein Stück von uns sind, weil sie vom Leben erzählen, von Helden und Abgehängten, von Mutigen und Ängstlichen von Herzlosen und denen, die Liebe und Trost schenken.

 

Sabine Pommerening liebt die Menschen und die Welt in der sie lebt und also liebt sie auch ihre Figuren und Akteure auf der Bühne. Mit einem kleinen aber liebevollen Stoß schickt sie diese Figuren ins Leben, in unser Leben. Und das tut sie, wie so viele Künstler, weil sie mit ihrer Kunst das Leben und also uns in Bewegung halten will, uns immer wieder zu dem anregen will, was nur uns Menschen als Segnung gegeben ist DAS DENKEN und die PHANTASIE.

 

Kunst bringt uns das Unbekannte, Geheimnisvolle, das Fremde näher. Manchmal hart und unerbittlich, manchmal liebevoll und tröpfchenweise.

Kunst kennt keinen Hass, Kunst will unsere Herzen erreichen, sie auftauen, unsere  Sicht auf  Schönes und Neues lenken uns Mut machen.

 

In dieser Zeit nun um Weihnachten können wir es versuchen, wie es sich anfühlt, an den Nächsten zu denken, an die Einsamen und Verlassenen, an die Schwachen und an die Hoffnungslosen….und es dann einfach tun. Und nicht nur zu Weihnachten.

 

Öffnen Sie ihr Herz und lassen sie die Sonne rein.

In diesem Sinne wünsche ich allen hier und überall eine harmonische, sinnliche Zeit bis zum nächsten Jahr und noch viel weiter auf ihren Wegen.

 

Irgendwann enden alle Wege in der Unendlichkeit der Sterne und wir verlieren uns aus den Augen. In den Gedanken und Geschichten derer die bleiben aber leben wir weiter. Sorgen wir dafür, dass unsere Geschichten ein Happy End haben-nicht nur im Theater.

 

(Michael Pommerening     Regenmantel, im Dezember)

 

 

 

Worte für diesen Tag

Traum und Wirklichkeit so der Titel der heutigen Ausstellung:

Traum und Wirklichkeit – in der Kunst geradezu die zwei Hauptprämissen der Kreation.

 

Dabei vermengen sich diese beiden Sichtweisen auf die Welt je nach Blickwinkel des Künstlers bis hin zu nonrealen Ansichten auf die Welt. In der Kunst gibt es dafür auch ein Genre, den Surrealismus. Etwas, das als surreal bezeichnet wird, wirkt traumhaft im Sinne von unwirklich. Wir kennen Miro, Dali, Picasso oder etwa Magritte. Aber auch in der Literatur oder etwa im Film fand diese Kunstrichtung, die in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ihren Höhepunkt erlebte, ihre Entsprechung.

 

Gerade der Surrealismus aber war es, der für viele Menschen in der Epoche der Industrialisierung und der damit einhergehenden Entfremdung von ihrer Arbeit, die Sehnsucht nach Traumwelten, nach einer Welt neben der immer technokratische werdenden, entstehen ließ.

 

In diese Traumwelten der Kunst wollten sie sich fallen lassen, gerade immer dann, wenn sie mit der realen Welt nicht mehr klar kamen.

 

Und nun möchte ich ihnen eine kleine Geschichte erzählen, die punktgenau diesen Nerv trifft und somit wieder ganz aktuell zu unserer heutigen Ausstellung kommt.

 

Frank Wallburger, Mensch und Maler aus Dresden, dessen Werke wir heute hier ihren Augen und Sinnen anraten möchten, hatte eine Begegnung.

Er traf auf einen Mann, nennen wir ihn Matthias, der ihn auf seine Arbeiten ansprach.

Der Mann war doch recht eigenartig, abwesend..aber trotzdem wurde aus diesem kurzen Gespräch eine achtstündige Debatte, nach der Frank Wallburger dachte, entweder ist dieser Mann ein Genie oder wahnsinnig.

 

Immer wieder sprach Matthias in diesem Gespräch von Brücken, die Frank Wallburger mit seiner Kunst baut, Brücken von der Welt des Traums, des Unterbewussten in diese, seine reale Welt.

 

Frank Wallburger erfuhr, dass Matthias einst ein Mann mit großer Verantwortung war. In der DDR Leiter der HO Gesellschaft, nach der Wende Chef der Aufarbeitung der Stasiakten: heute verarmt, von Hartz4 lebt.

 

Und allmählich bei weiteren Gesprächen wurde klar, dass Matthias einer von ungefähr 4 Mio. Deutschen ist, die an bipolaren Störungen erkrankt sind.

Bipolare Störung ist die etablierte Kurzbezeichnung für die bipolare affektive Störung (BAS). Bei der BAS handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die zu den Affektstörungen gezählt wird.

 

Die Krankheit zeigt sich durch phasenhafte, zweipolig entgegengesetzte (=bipolare) Extremschwankungen der Stimmung, des Antriebs und der Aktivität. Bipolare Störungen sind schwere chronisch verlaufende psychische Erkrankungen, die durch manische und depressive Stimmungsschwankungen charakterisiert sind. Die Manie stellt sich als übersteigertes Hochgefühl dar und die Betroffenen sind gleichzeitig meist überaktiv, euphorisch oder gereizt. Auf diese Phase folgen mehr oder weniger ausgeprägte Depressionen, mit gedrückter Stimmung, Antriebslosigkeit und Traurigkeit. Häufig kommt es zu Problemen in der Ausbildung, im Arbeits- und Familienleben oder zu jähen Wechseln im Lebenslauf.

 

Ungefähr 25 % bis 50 % aller Menschen mit bipolarer Störung unternehmen mindestens einen Suizidversuch. Etwa 15 % bis 30 % der Patienten töten sich.

Nicht zuletzt litt auch der geniale Fotograf Oliver Rath, dessen Arbeiten wir  im letzten August in den TRAFO Galerien sehen  konnten, an dieser Krankheit und fand tragischer Weise in ihr den Tod.

 

In den meisten Fällen werden diese Menschen auf Grund ihrer Erkrankung von der Gesellschaft ausgegrenzt, Ehepartner trennen sich, die sozialen Kontakte gehen verloren – ein schwindelerregender Abstieg ins soziale Abseits ist die Folge. Da nimmt sich der oft gerade in der Werbung suggerierte Slogan: „Sei Du, sei wie du bist…“ geradezu verlogen und lächerlich aus.

In diesem einen Beispiel aber zeigt sich, dass es eine Brücke gibt’s zwischen dem Abseits und dem hier und heute und das kann mitunter eben die Kunst leisten.

 

Seit zwei Jahren nun kennen und treffen sich Frank Wallburger und Matthias.

Allmählich ist daraus ein Projekt entstanden, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, auf das Schicksal dieser Menschen aufmerksam zu machen, sie wieder in die Mitte der Gesellschaft zu holen, sie zu schützen von Missachtung, Desinteresse, Ablehnung.

 

Frank Wallburger dreht einen Film über Matthias und sein Schicksal, der im nächsten September in Dresden Premiere haben wird.

Wir werden dieses Projekt verfolgen und begleiten.

 

Heute zeigen wir bereits hier im TRAFO den Trailer zu diesem Film.

Und also bleibt: Kunst kann Brücke sein – Brücke zum Leben und Brücke auch in eine Welt der Träume, Ängste und Phantasien.

 

Lassen sie die Bilder auf sich wirken und sprechen sie mit Frank Wallburger über seine Kunst und lassen sie uns allem ihm Kraft und Zuspruch geben für seinen Film,  mit dem wir uns irgendwann einmal bestimmt im TRAFO Projekt näher befassen werden.

Auf zu neuen Ufern, die Brücken sind offen.

 

(Michael Pommerening, Regenmantel im Oktober 2017)

 

 

 

Nur schön ist mir zu wenig, ich suche in meinen Arbeiten auch die menschlichen Abgründe.

Die das sagt, lebt in der Schweiz, malt dort und zeigt heute hier ihre wichtigsten Arbeiten.

Aber menschliche Abgründe? Na klar mag man denken, wenn man von der höchsten Erhebung im Land der Eidgenossen ins Tal schaut, sind das schon mal viereinhalb tausend Meter und vielleicht kommt man da ins Schwelgen über menschliche Abgründe. Wiederum zieht man die Erhebungen über die Selbstmordquote auf der Welt zu Rate ist die Schweiz auf Platz 41…das brasilianische Volk der Guarani auf Platz 1. Also das kann es auch nicht sein.

 

Und wie ist es mit der Schönheit? Sie ist nicht mehr Gottesgeschenk, sondern persönliche Entscheidung, soziale Verpflichtung und ein Riesengeschäft. Schönheit ist der Traum, der unser Leben beherrscht - und das eigentlich schon immer. Laut einer Umfrage der von 2015 sind 41 Prozent der Deutschen mit ihrem Erscheinungsbild nicht zufrieden, je jünger und je weiblicher, desto weniger.

 

Nofretetes Augenbrauen, der Hüftschwung der Venus von Botticelli, die Bauchmuskeln des David von Michelangelo zeigen, wie besessen die Menschheit schon lange von körperlicher Perfektion ist. 

Um dieser Perfektion so nahe wie möglich zu kommen geben viele Menschen viel Geld aus. Das Skalpell wird zum Instrument des Traums von der ewigen Schönheit, die Botoxspritze zur massiven Abwehr gegen das Altern…und leider sind beides vergebliche Versuche der Natur zu entkommen.

 

Und da wären wir schon beim Thema unserer heutigen Ausstellung mit Werken von Silke Hagen. 

Abgrund und Schönheit zwei Worte die auf den ersten Blick nicht zusammengehören. Aber doch genau sie umschreiben die Dialektik unseres Lebens. Das Eine ist ohne das Andere nicht zu haben.

Ying und Yang, Plus und Minus, Gut und Böse nur in dem Zusammenwirken dieser Gegensätzlichkeiten definiert sich unser Leben. The Dark Site oft the Moon die Schattenseiten ohne die Harmonie nicht möglich ist, machen unser Leben erst vollkommen. Das Streben nach völliger Harmonie wird ohne die Stolpersteine des Lebens nicht möglich sein.

 

In der Malerei von Silke Hagen findet diese Behauptung ihre Entsprechung.

Die Puppe als erste große Liebe der kleinen Mädchen verschwindet mit den Jahre aus der Erinnerung und macht den Geistern des Alltags Platz. Die Jungfrau Maria als Inbegriff der Unbeflecktheit wird durch den lasziven Vamp verdrängt. All das können wir in den Bildern von Silke Hagen entdecken.

 

Der ewige Kampf der Kunst, diese nur scheinbaren Wiedersprüche ans Licht zu locken, ist zugleich auch ihre sinnstiftenste Aufgabe. Phantasie als Mittel der Erkenntnis, dass Schönheit nicht ohne Schatten existiert, dass Liebe ohne Hass nicht sein kann, dass jedes Dunkel einen nächsten Morgen hat. 

 

Ist diese Erkenntnis zu banal, um sie immer wieder zu betonen?  Nein sage ich, denn das ist unsere Hoffnung, das ist es was uns treibt, was uns immer wieder neu beginnen lässt und letztlich ist das unser Leben.

Aber wir sollten wachsam sein. Heute stehen wir mehr denn je schnell am Abgrund. Wenn wir nicht aufpassen trumpen wir uns ganz schnell einen Schritt weiter. Also müssen wir aus diesem Konflikt lernen, dass das Böse seine Entsprechung braucht. Setzen wir unseren Mut gegen den Schwachsinn der Despoten, setzen wir unsere Phantasie gegen die eindimensionale Welt der Mächtigen, setzten wir unsere Hoffnung auf einen neuen Morgen.

 

Silke Hagen hat das in ihren Bildern getan. Sie hat Vordergründe gezeigt und Abgründe dagegen gesetzt. Deshalb liebe ich ihre Kunst. Kein Heile-Welt-Gepinsel - sondern das Leben mit all seinen Wiedersprüchen im Blick.

Keine Containerliebe wie sie von der privaten TV Sauce täglich über uns gegossen wird, sondern echtes knallhart-wundervolles Leben ist es, was ihre Kunst uns zeigt, was uns täglich begegnet, was dann in der Essenz unser Leben ausmacht. 

Am Schluss noch eine Randnotiz: 2018 feiert Wien die Moderne. 100 Jahre zuvor starben drei der wichtigsten Vertreter dieser so widersprüchlichen Kunstrichtung – Gustav Klimt, Egon Schiele und Otto Wagner.

Und deshalb hat die Stadt an der Donau für das Jahr 2018 ihr Motto verkündet.

Sie ahnen vielleicht schon welches? Abgrund und Schönheit lautet es.

Ich jedenfalls habe dieses Motto nicht kopiert. Wer wohl dann?

 

Also die Schweiz in Brandenburg, Wien auch ein wenig. Kunst ist eben international. Viel Freude beim Schauen von Schönheit und den lebensfrohen Abgründen…..

 

Michael Pommerening

Juli 2017, Regenmantel

Worte zum Tag.

Er macht aus leeren Straßen bunte Alleen, aus unscheinbaren Häusern glanzvolle Villen, aus ollen Kaschemmen stilvolle Restaurants und aus leeren Zimmern prunkvolle Apartments- die Rede ist vom Szenenbildner beim Film und TV. Die Rede ist somit auch von Matthias Friedrich Mücke, dessen Arbeiten wir heute in den TRAFO Galerien die Freude haben zu zeigen.

Und wenn wir diese Arbeiten dann geschaut haben, haben wir einen klitzekleinen Einblick in die Arbeit eines Mannes bekommen, der seine Liebe zum Buch, zum Papier, zu den scheinbar unscheinbaren Geschichten die das Leben täglich aufs neue schreibt, zu  seiner Passion gemacht hat.

 

Geschichten sind es – diese tausend kleinen menschlichen Abenteuer, die täglich unsere Sehnsucht, unsere Liebe unser Werden und Vergehen- beschreiben, die in ihrer Summe zusammengenommen dann irgendwann Geschichte werden.

Man muss sie nur hören wollen, man muss sie ernst nehmen um Spaß am Leben zu haben. Manche Geschichten erzählen sich von selbst, manchen muss man mit etwas Übertreibung auf die Sprünge helfen und manche müssen aus dem Dunkel des Vergessens wieder ans Licht geholt werden.

 

Matthias Friedrich Mücke hat einige, viele von diesen alltäglichen Abenteuern mit hinreißend skurrilen Strichen auf das Blatt gebracht und mit schrillen Farben zum Leben erweckt.

Geschichten, die wenn man sie nicht bewahrt, im Sande der Unendlichkeit verlaufen würden, vom Vergessen verschluckt, vom Verdrängen verdunkelt. Aber wir brauchen diese Geschichten, weil sie ein Stück von uns sind, weil sie vom Leben erzählen und vom Sterben, vom Gut und Böse, von Mensch und Magie.

 

Die Kunst versucht den Dingen und Lebewesen auf der Grund zu gehen, sie zwar mit Phantasie und Utopien zu schmücken, aber nur, damit wir sehen und lernen, dass nichts so ist wie es scheint. Wer in der Kunst die Wirklichkeit sucht, muss zweimal hinsehen, muss unter die Oberfläche des scheinbar so Wirren gehen.

 

Heute, im Zeitalter der Globalisierung, des Turbokapitalismus und des Internets, welches unser Gefühl von Zeitknappheit, Zersplitterung und Ausgebranntsein beschleunigt, wächst nicht nur das Bedürfnis nach Entschleunigung sondern auch das nach den ganz einfachen Geschichten des Alltags, der Überschaubarkeit des Wirrwarrs unserer Gedanke und des Chaos unserer Gefühle. Die Geschichten, wie sie uns Matthias Mücke in seinen Arbeiten komprimiert zum Anschauen zeigt, wollen die Erinnerungen dem Vergessen entreißen.

 

Diese Erinnerungen müssen wir bewahren, sie sind ein Stück Hoffnung. Und Hoffnung ist ein Menschenrecht. Nimmt man den Menschen die Hoffnung, raubt man ihnen das Recht menschlich zu leben. Die Erinnerungen zu bewahren, heißt auch ein kleines Stück Hoffnung zu bewahren. Hoffnung darauf, dass die Welt nicht zu normiert wird, Hoffnung darauf, dass Menschen ihre Kreativität und ihr Handwerk nicht verlieren, Hoffnung auch darauf, dass der erste Kuss für immer unvergessen bleibt. Erinnerungen sind das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.

 

Matthias Friedrich Mücke geht weit zurück in seinen Erinnerungen, bis in die Kindheit. Die Zeit, als es kaum Normen gab für ein Leben zwischen Buddelkasten und Geburtstagstorte. Die Zeit als man das Leben noch mit Phantasie und völlig unbekümmert hinnahm, nur ab und an von einigen KRegeln der Eltern liebevoll gelenkt.

 

Nur Kinder wissen, wie sie die Welt und alles Leben auf ihr entdeckt haben, wie sie in einem Stück Holz böse Geister, einen Spielkameraden oder einen süßen Kuchen phantasiert haben. Vielleicht sollten sie uns, die wir heute denken erkannt zu haben, was die Welt im Inneren zusammenhält, ihre Geschichten von damals erzählen. Matthias Mücke macht das. Er wird seine Geschichten und Erinnerungen von damals in einem Buch bewahren, welches er gerade schreibt und malt. Einen kleinen Teil davon zeigt er uns schon heute, im TRAFO 2 in Dolgelin zu sehen.

 

Lassen sie uns heute zum 5. Geburtstag des Galerieprojekt TRAFO ein Glas darauf trinken, dass Kunst das tut: Geschichten zu erzählen, Erinnerung zu bewahren, Phantasie zu leben.

Hier an ungewöhnlichen Orten, hier wo sie niemand vermutet soll Kunst auch weiterhin Freude bringen, provozieren, sich einmischen. Für die gute Sache des Menschseins, für die Liebe und gegen das Vergessen.

 

In diesem Sinne vielen Dank allen Freunden des Trafos und vor allem allen Künstlern, die uns in bisher 34 Ausstellungen ihre Welt gezeigt haben.

 

Kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen  der Hammel ist gar überm Lauch

Paprika soll uns im Halse brennen  der reife Kartoffelschnaps auch

Lachen wollen wir wieder wie damals   bis morgens der Nachtvogel schreit

Wieder gute Geschichten erzählen  von damals und von dieser Zeit. (F.J.Degenhardt)

 

(Michael Pommerening, Regenmantel im Juli 2017)

WORTE.

 

Heute zeigen wir in den drei TRAFO Galerien Arbeiten von drei Frauen, die an unterschiedlichen Fronten für das Gelingen einer Kunstform kämpfen, die fast so alt ist wie die Menschheit.  Die Rede ist vom Theater.

 

So wie jedes Theaterstück, jeder poetische Text, Zeit und Geduld braucht, um in sein Inneres, seinen Kern vorzudringen, so geduldig und beharrlich-einfühlsam  sind auch diese drei Künstlerinnen und haben dabei die Poesie und die Kraft des Theaters für sich entdeckt.

 

Sie haben erkannt, dass Theater nichts Starres ist, sondern sich immer die Frage gefallen lassen muss: Warum spiele ich dieses Stück heute, hier und jetzt? 

Und haben sich dabei immer wieder selbst infrage stellt.

 

Und Fragen stellt der dramatische Text ausreichend, von Aischylos über Shakespeare bis Müller immer die gleichen von Liebe und Macht, Leben und Tod. Die Figuren dieses ältesten Spiels aller Zeiten taumeln durch Raum und Zeit und suchen dabei nach Antworten für das Sein in unserem Universum.

 

Theater erzählt Geschichten. Die von den Guten und die von den Bösen, die von Liebe und die von Hass, vom Clown vom Krieger, und das alles miteinander zu tun hat.

Theater bewegt deshalb die Menschen, weil es ihnen den Spiegel zeigt. Manchmal zur Erbauung, manchmal zum Staunen, manchmal aber auch zum Schrecken des Betrachters.

 

Und manchmal lässt Theater uns auch fassungslos zurück, hat kaum Antworten, dabei umso mehr Fragen.

Theater ist die Kunst Geschichten zu erzählen, wie sie so vielleicht nie passiert sind, aber täglich Realität werden können.

 

Theater stellt bloß, überhöht, provoziert, hat das Lachen und das Weinen, das Salz des Lebens eben auf seiner Seite.

 

Zu den den vier Grundfesten des Theaters gehören die Darsteller, die Zuschauer, der Raum und die Dramaturgie, also der Spielinhalt. In diese Wechselbeziehungen greifen je nach der Art der künstlerischen Akzentuierung einer Aufführung auch der Einsatz von Licht, die Tontechnik, die Maske, die Kostüme, das Bühnenbild und die Bühnenarchitektur mit ein.

 

Und so wird aus einem nackten Text ein Abend der Phantasie.

 

Dass diese Phantasie Gestalt erhält dafür sorgen Künstler wie Karla Achtelik, Susanne Richter und Sabine Pommerening, die uns heute einen kleinen Einblick gewähren in  i h r  Universum der Phantasie.

Das Theater ist ein Teil der Kunst und deshalb frei in seinem Grundcharakter.

 

Jeder, der in diese Welt der Figuren, Phantasien und Bilder eintaucht, wird erkennen, dass das Theater lebt, schon mehr als 2500 Jahre und es weiter leben wird, wenn es nur immer wieder von diesem Leben, der Liebe und Leidenschaft, dem Werden und Vergehen und auch den Träumen der großen und kleinen Helden erzählt.

Trotzdem wahrt das Theater Distanz. Es gibt keine 3D-Effekte und Dolby-Surround-Systeme, die den Anschein einer falschen Wirklichkeit erzeugen. Die Kulissen sind deutlich als solche erkennbar, das Pappmaché will auch gar nichts anderes vortäuschen.

 

Die Sprache unterscheidet sich meist deutlich von der normalen Alltagssprache und ist eine eigene Kunstform innerhalb des Theaterspiels.

 

Emotionen werden oft sehr stark übertrieben dargestellt, die Handlungen erheben keinen Anspruch auf Realismus. Da könne man sich für den trotz der Subventionen meist happigen Preis einer Theaterkarte doch lieber gleich eine ganze Serie auf Blu-ray kaufen, die einen viel längeren Sehgenuss verspricht…mögen einige da sagen.

 

Und doch wird sich das Theater weiterhin behaupten. Viele Menschen schätzen an dieser Kunstform gerade das, was sie von den modernen Medien unterscheidet. Sie ist ehrlich, sie täuscht nicht eine falsche Wirklichkeit vor. Aber sie entführt in andere Denk- und Gefühlswelten, gibt durch ihre Andersartigkeit Denkanstöße und kann Sichtweisen aufzeigen, die im normalen Alltag untergehen würden.

 

Theater kann man übersehen, kann man negieren und totunterfinanzieren. Aber wer einmal von der Magie der Bilder, der Sprache, der Kostüme und der Räume in den Bann gezogen wurde, der kann nur noch eines: Das Theater lieben.

 

Und trotz aller schädlichen Versuche Theater zu einer industriellen Unterhaltungsmaschenerie zu machen, werden sich die Wilden und Mutigen, die Phantasiebessenen und Querdenker, nicht aus dem Theater vertreiben lassen.

 

Denn mit ihnen würden wir diesen unbeschreiblich nützlichen Spiegel verlieren, der uns abhält dem gefühlskalten und geldgierigen Einheitsbrei der medialen Soapbrühe auf den Leim zu gehen.

 

Von dieser Liebe zum Theater jedenfalls, vom Können und auch von der Magie der falschen Realität erzählt die Ausstellung in den TRAFO Galerien… und übrigens wenn sie noch nicht zu den jährlich 18 Millionen Menschen  gehören, die in engen Bankreihen, inmitten hustender, raschelnder manchmal auch schnarchender Mitmenschen, für knapp 20 Euro 2 Stunden in eine ganz besondere Welt abtauchen, dann raten ich Ihnen….tun sie’s doch mal, es lohnt sich…garantiert.

 

Einen kleinen Vorgeschmack davon zeigen ihnen heute unsere drei Theaterkünstlerinnen, denen ich hiermit noch einmal ganz herzlich danken möchte.

 

(Michael Pommerening, Regenmantel  im Mai 2017)

 

Liebe Gäste und Freunde,

 

heute zur ersten Ausstellung des neuen Jahres wollen wir Gutes tun, wollen wir wieder Halt suchen, einen Anker finden im großen Meer der Sehnsüchte, einen warmen Platz im Sturm des Alltags. Und dieser Anker ist die Liebe.

 

Liebe ist der einzige Lebenszustand, den man nicht kaufen kann. Deshalb lohnt es immer wieder, sich darauf zu besinnen, wie wichtig sie für unser Leben ist. Hält sie ewig oder ist sie nur ein Moment, flüchtig wie das Glück?
 

Wir erleben in den Fotos von Lars Wiedemann einige Augenblicke dieses flüchtigen Zustands.

 

Nur 180 sec. ihrer sicherlich kostbaren Zeit möchte ich ihnen heute stehlen für die Liebe.

180 sec. - so lange dauert das Video welches sie per Schalterklick starten können.

 

Die kleinste Galerie der Welt leistet sich nämliche auch die kleinste Verweildauer vor der Kunst.

 

180 sec. ohne Gedanken an Sorgen, Trauer, Angst und ohne Hass, von dem in diesen Tage so oft gesprochen wird. Aber Hass, das ist kein Gemütszustand sondern eigentlich nur die Abwesenheit von Liebe. Hass baut keine Brücken zwischen den Menschen, Hass zerstört diese Brücken.

 

Nicht die großen Dinge sind es, die uns über den Alltag bringen und uns Hoffnung spenden, wenn die Tage wieder einmal von dunklen Wolken verschattet werden.

 

Liebe fühlen und auch zeigen, davor haben die meisten Menschen große Angst. Es ist die Angst, durch die Zuneigung dem anderen ausgeliefert zu sein, völlig schutzlos und verletzbar. Diese Angst verrät aber ein verstörtes Verhältnis zu den Mitmenschen und meist auch zu sich selbst.

 

Die größte Bedrohung für die Liebe ist der Alltag, das unachtsame Nebeneinander her laufen, wie zwei Schienen eines Gleises die ihren Weg nehmen in die scheinbare Unendlichkeit.

 

Vor dieser unendlichen Monotonie haben wir Angst.

Lars Wiedemann spielt mit diesem Daseinszustand, er bildet ihn ab und das auch mit dem nötigen Augenzwinkern.

 

Er lässt seinen Protagonisten freien Lauf hinein in die Monotonie des Gleichlaufs ohne den Versuch eines Ausbruchs. Szenen einer Ehe, sicherlich nicht nur in der Phantasie des Fotografen entstanden.

 

Lars Wiedemann hat diese Gratwanderung geschaffen bei der man nicht weiß, spielen seine Protagonisten nun diese Öde des Alltags, oder ist dieser Zustand des allmählichen Einschlummerns eines einst so grandios rosaroten Zustandes wie ihn nur die Liebe zaubert Realität?

 

Lars Wiedemann führt uns nur ganz kurz in eine Welt aus Nostalgie, Erinnern und sehnsüchtigen Hoffens auf einen Zustand der da Liebe heißt.

 

Vielleicht nur um sich selber zu überprüfen wo sie denn hin ist im Wirrwarr des Alltags oder uns daran zu erinnern, wie zerbrechlich dieser unbezahlbare und wunderschönste Daseinszustand ist.

Werfen sie einen Blick durch das Fensterglas auf diese kleine Welt der Fotos von Lars Wiedemann und vielleicht erinnern sie sich noch wie es war, als alles anfing, dieses Ding mit den Schmetterlingen.

 

Nehmen sie sich diese 180 Sekunden der Erinnerung. Sie tun es für sich und ganz bestimmt noch für jemanden an ihrer Seite.

Wünschen wir uns noch viele schöne Augenblicke hier am Feldrand mit der Kunst und der Freude am Leben und nicht zuletzt auch in Liebe.

 

Regenmantel, im Februar 2017

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© Michael Pommerening KunstRegen 2019