Wandlung und Bewegung.

 

In Bezug auf Menschen wird der Begriff Metamorphose gern verwendet, um eine tiefgreifende und dauerhafte Veränderung zu beschreiben, die ein Mensch durchmacht, sei es physisch, emotional oder geistig.

Ovids “Metamorphosen” z.b. ist ein berühmtes Werk, das viele Geschichten von griechischen Göttern und Helden umfasst, die sich in andere Tiere, Pflanzen oder sogar Sterne verwandeln, um verschiedene Ideen und Moralvorstellungen zu symbolisieren.

 

Auch in der neueren Literatur gibt es zahlreiche Beispiele für die Wandlungen und Metamorphosen. Die wohl bekannteste Geschichte hat Franz Kafka geschrieben , die von der Verwandlung eines Mannes erzählt.

 

Hier wacht dieser eines Morgens auf und stellt fest, dass er sich in ein Insekt verwandelt hat. Das Werk beschreibt die Reaktionen von Gregors Familie und seiner Umgebung auf diese Metamorphose und die Auswirkungen, die sie auf seine Beziehungen und sein Leben hat.

 

Die Metamorphose, die Gregor Samsa durchmacht, kann als Symbol für die Veränderungen und Herausforderungen des Lebens interpretiert werden, die jeden von uns treffen können.

 

So ist der Titel unserer heutigen Ausstellungen mit Arbeiten von Jörg Hannemann auch mit Bedacht gewählt. „Wandlung und Bewegung“ möchte in einem kleinen Ausschnitt des Schaffens von Jörg Hanneman zeigen, wie sich die derzeitige aktuelle Situation der Spaltung der Gesellschaft durch Pandemie, Inflation und in diesem speziellen Fall Krieg auf uns Menschen auswirkt.

 

Jörg Hannemann hat Fundstücke, die er nahe seines Lebensumfeldes an der Oder in Kienitz, wo er lebt und arbeitet gefunden hat, zu einem provokanten Ensemble künstlerisch neu zusammengefügt und diese Objekte – alte Munitionsreste aus dem Ende des 2. Weltkrieges - dann in einen neuen, aktuellen Sinnzusammenhang gebracht.

 

Die Gegenwart dieser historischen Fundstücke mit den in Fotografien festgehaltenen künstlerischen Empfindungen erzeugen vielleicht Beklemmungen und dunkle fast schon vergessenen Erinnerungen an Krieg und Zerstörung.

 

Aber Kunst kann sich den aktuellen Geschehnissen nicht entziehen. Denn Kunst ist vom Menschen gemacht. Lebt von den tiefen Gefühlen und Phantasien eines Künstlers, der durch diese emotionalen Brechungen eine, seine neue Wirklichkeit schafft. Vielleicht bleibt er mit dieser Sichtweise allein, oder aber er erreicht uns Betrachter, um uns aufzufordern unsere eigenen Gedanken und Gefühle in Worte, Bilder und Geschichten zu fassen. Denn wenn wir selber unsere Umwelt reflektieren tun wir etwas, was nur uns Menschen eigen ist: Wir Wandeln uns, verändern unsere Sicht auf Dinge, bewegen uns. Dabei gibt es keine Ziel. Bei dieser Bewegung, bei diesem Wandeln steht nun wirklich einmal der Weg an sich im Vordergrund. Wo kommen wir an, wenn wir diesen Weg gegangen sind. Was sind unsere Zukunftsvisionen, wovon träumen wir, wovor fürchten wir uns, woran haben wir Freude. Und wir werden erkennen: Ein bisschen Frieden gibt es nicht.

 

Damit kann Kunst, wenn wir uns in sie vertiefen, wenn wir die Gedanken und Phantasien zulassen, immer einen Weg zeigen und uns dazu auffordern uns zu bewegen.

 

Mit dem Strom zu schwimmen oder dagegen. Clown zu sein oder Spinner, Realist oder Macher. Denn nur Erkenntnis und Wandel bringt Entwicklung. Für uns Menschen, für die Gesellschaft.

 

In seinen Arbeiten, hier und in Regenmantel können wir fassungslos vor der Kunst von Jörg Hannemann stehen, kopfschüttelnd oder mit Erkenntnisgewinn. Angeregt oder verstört. Befreit oder zornig.

 

Auf jeden Fall machen die Objekte und Fotografien eines bestimmt mit uns: Sie zwingen zum Hinsehen und reagieren. Sie verleiten uns zum sich-bewegen, ob gegen oder mit dem Strom. Ob in der Oder, der Elbe oder der Wolga.

 

Ich danke Jörg Hannemann für diese Arbeiten und rufe den Betrachtern zu: Lasst euch provozieren !

 

Die Welt braucht das, damit wir nicht mitgezogen werden, in einen Sog aus Entzweiung und Hass.

 

Und nun ab in die Fluten wünsche ich allen Besuchern.

 

(Michael Pommerening, im August 2023)

 

In den TRAFO Galerien tanzen die Gedanken um eine neue Welt.            

Tanz der Gedanken“ - so auch der Titel der Ausstellung.

 

Gezeigt werden Porträts von Menschen unterschiedlichster Herkunft, erträumt und in Öl auf die Leinwand gebracht von Angela Wichmann.

 

Was diese Portraits eint, ist die Idee von einer neuen Welt in Einklang mit der Natur und mit einer vom Menschen gelebten tiefen Demut vor dieser Natur. Zu sehen sind Menschen, deren Blick verdeckt ist durch ein flirrendes grünes Gebilde, das ihren Kopf – ihre Gedanken- überdeckt, in das sie tief eingetaucht sind.

 

Man ahnt, vermittelt durch Farbe und Ästhetik, dass hier ein neuer Denkprozess auf dem Weg ist, der nach und nach seine Reise um die Welt angetreten hat und seine tiefen grünen Spuren hinterlässt, damit diese Welt auch für die Zukunft lebenswert bleibt.

 

Der Blick auf diese Phantasiegestalten von Angela Wichmann ist getragen von Leichtigkeit, Humor und Optimismus.

 

Hier und da grassieren in deutschen Landen wieder einmal die absoluten Wahrheitsverkünder und Propheten einer neue Lebensdoktrin. Die kommt dann auch in einem grünen Mäntelchen daher und will uns ab und an belehren, verbieten und vorschreiben.

 

Dies alles tut die Kunst von Angela Wichmann nicht und dafür ist die Kunst im Allgemeinen auch nie angetreten. In den Portraits der Malerin spiegelt sich die Hoffnung in einer Phantasie und ein wenig Träumerei mit Augenzwinkern und Leichtigkeit wieder.

 

Auf ihren Reisen in die weite Welt ist sie vielen Menschen begegnet, hat Gespräche geführt und erfahren, wie unterschiedlich die Sicht auf das Leben und dessen Gestaltung sein kann. Diese Erfahrungen fließen durch ihre Bilder wie ein ruhiger Fluss. Unaufgeregt, oft humorvoll aber immer mit dem Maaß an Liebe zu den Menschen, die besonders Künstlern eigen ist.

Die grünen Gebilde, die eine Gedankenversunkenheit suggerieren zeigen aber auch, wie wichtig diese grünen Gedanken sind, wie fragil diese Natur ist, wenn ihr der Mensch allzu nahekommt. In der Vielfalt der Welt  der Angela Wichmann zeigt sich auch gleichzeitig das ganze Spektrum der Möglichkeiten und Wege im sanften Umgang mit der Natur.

 

Und dann ist da noch die bebaute, verbaute, umgebaute  Natur. Vom Menschen geschaffen ragen diese Monumente der Moderne hunderte Meter hoch in den Himmel, ähnlich den Gotteskathedralen und werden ihn doch nie erreichen. Diese Metropolen der Superlative zeugen aber auch vom Erfinderreichtum der Menschen und deren Kreativität. Angela Wichmann hat dieser nächtliche Fluss der Lichter und Farben fasziniert. Durch ihre Bilder kann man sich treiben lassen durch den Geist der Moderne, durch das, was Menschen zu schaffen in der Lage sind.

 

Natur und Kultur gegeneinander aufzuhetzen, sie gegeneinander auszuspielen ist abwegig und widersinnig wird aber derzeit oft praktiziert.

 

Angela Wichmann will Natur und Metropolen in ihrer Wechselwirkung zeigen, nicht in ihren Gegensätzen. Es ist die Dialektik, die uns lehrt beides - die Schöpfung der Jahrtausende der Evolution und der Drang des Menschen immer tiefer in die Geheimnisse dieser Schöpfung einzudringen- als zwei Seiten ein und derselben Medaille zu sehen.

 

Moderne Gesellschaft und Tradition, Zerstörung und Neuschöpfung, Natur und Kultur sind und bleiben ein Geschenk der Evolution, dass uns täglich dankbar machen sollte.

 

In ihrer Kunst gibt uns Angela Wichmann ein Mittel in die Hand über diese Schöpfung, über das Zusammenspiel von Natur und Moderne nachzudenken.

Und auch wir als Verein haben hier mit Gästen gepflanzt, schauen dem Wachsen zu und werden dann ernten… für Vogelfutter im Winter.

 

Und dies alles, um einen Maler zu ehren, der vor 170 Jahren geboren wurde. Sein Schaffen und sein Leben war gezeichnet durch eine tiefe Verehrung vor der Natur und den Menschen, die diese für sich nutzbar machen.

Vincent van Gogh seien diese Sonnenblumen gewidmet.

 

Schauen sie dem Wachsen zu, hier in harmonischer Einheit mit den Bildern von Angela Wichmann und ihrer Idee von einer grünen Welt….nicht nur in oder auf den Köpfen.

 

Und behalten wir einen Satz von van Gogh in unseren Herzen:

 

„Welch ein Rätsel ist das Leben und welch ein Rätsel im Rätsel die Liebe"

 

(Michael Pommerening, Juli 2023   Regenmantel)

Rita kommt. 

Ungewöhnlicher Besuch in den TRAFO Galerien.

 

Heute eröffnen wir eine Ausstellung mit Arbeiten des in Berlin lebenden Künstlers Sador Weinsclucker. Ungewöhnlich ist die Ausstellung, weil es in den künstlerischen Arbeiten ausschließlich um Rita geht.

 

Und ungewöhnlich ist die Ausstellung auch deshalb, weil Rita uns intime Einblicke in ihr doch recht rätselhaftes Lebens gibt.

 

Aber wer um alles in der Welt ist Rita?

Hier möchte ich den Künstler höchstselbst zu Wort kommen lassen:

 

Rita nennt sich ein Schädel, der sich seit circa 45 Jahren in meinem Atelier eingenistet hat.

Vielleicht aus Langeweile oder anderen Beweggründen (die niemand nachvollziehen kann), hat Rita vor geraumer Zeit begonnen, ihr Sein in die eigenen Hände zu nehmen und selbst zu gestalten.

Einer Schauspielerin gleich schlüpft sie in diversen Gemälden in die eigenwilligsten Rollen ihrer Phantasiewelt (meist in völliger Selbstüberschätzung), oder gibt Szenen aus ihrem Alltag preis, doch immer die Dramatik der Vergänglichkeit in Vanitas-Bildern meidend.“

 

Nun ist der Schleier, der sich nebulös um Rita gelegt hat, wenigstens schon etwas gelüftet. Aber was genau will Rita uns aus ihrem Lebensalltag, der oft nicht spektakulär aber immer zauberhaft ist, erzählen?

Und was oder wer ist Vanitas?

 

Vanitas Symbole in der Kunst kommen recht häufig vor. Vanitas kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie Eitelkeit – Sinnlosigkeit, Diesseits und Jenseits. Vergänglichkeit.

Memento moriendum esse“, raunte ein Sklave in der Antike einst dem Heerführer zu, der sich so im Moment des Triumphs über einen Feind auf seiner Siegerparade jäh an die eigene Endlichkeit erinnern sollte. Häufige Attribute sind der Totenschädel, die erlöschende Kerze, die Sanduhr und die verwelkende Blume.

In der Mitte des 16. Jahrhundert hatte die Vanitas- oder auch momento moritas Symbolik als Untergruppe des Stilllebens im Barock Hochkonjunktur. Es waren Pestepidemien und Kriege, welche den Menschen so eindrucksvoll den Tod als Ende alles Irdischen vor Augen führen sollte.

 

Auf immer neue Weise versuchten seitdem Künstler den Sinnspruch von der Vergänglichkeit alles Vergänglichen bildlich umzusetzen.

Die Faszination für das Motiv und die Suche nach zeitgemäßen Zugängen setzt sich bis in die Gegenwart fort. Ins Groteske überzeichnete das Ansinnen des künstlerischen Selbstvermarktungsprofis Damien Hirst. Sein schrilles Opus „For the Love of God“ stellt ein aus Platin gegossenen Schädel, besetzt mit 8600 Brillanten dar. Dieses Kunstwerk wurde im August 2007 für 75 Millionen Euro verkauft und ist damit eines der teuerste Gegenwartskunstwerke.

Ob Hells Angels oder der verstorbene Modemacher Alexander McQueen, sie alle benutzten diese nonkonformistischen Motive um sich als Außenseiter in einer reichen Welt der Überdrüssigen zu inszenieren.

 

Anders der bekennende Genießer und Künstler – oder umgekehrt, oder beides gleichzeitig- wie auch immer hat Sador Weinsclucker das Totenkopfmotiv für sich neu entdeckt. Fern von einer entrückten und todesverklärten Attitüde setzt er einen Schädel in den Mittelpunkt seiner Kunst, der uns zeigen möchte, wie alltäglich normal und zugleich phantastisch sinnlich unser Alltag ist.

 

Und damit nicht genug, verleiht er diesem Schädel einen Namen und macht damit sogar einen Totenschädel  zu unserem Begleiter durch den Alltag. Rita heißt das vom Leben verlassene Objekt, dass diesem Alltag wieder neues Leben einhaucht. Mit dem wir Eintauchen in unsere banalen und sinnlichen Alltagsrituale.

Da ist die Badeente, die Rita in die Schaumwanne mitnimmt, die erloschene Zigarette im Aschenbecher, das rote Lieblingssofa, oder das Blutdruckmessgerät. Sie alle sind die Ingredienzien unseres Lebens, sie gehören einfach dazu ohne das sie jemand in den Kunsthimmel gehoben hat.

 

Außer Sador Weinsclucker. Der tut das. Aber nicht zur philosophischen Erbauung, sondern um uns zu zeigen, was außerdem noch wichtig im Leben und in der Kunst ist: Der satirische Blick auf diesen unseren Alltag, der uns erst die Chance gibt, die bitteren Seiten zu ertragen.

 

Mit Satire dem Tragischen begegnen.

Oder um doch noch einmal kurz ins philosophische abzugleiten:

Das Irdische schätzen, weil es endlich ist.

 

Also liebe Rita, danke doch noch für diese Erkenntnis und Dir Sador für diese Bilder und Einblicke und weiterhin viel Spaß und Genuss am Leben.

 

 

(Micha Pommerening/Regenmantel im Mai)

01.04.2023 - 15.05.2023

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© Michael Pommerening KunstRegen 2019