Ausstellung Nr. 66

 

 

Wir möchten heute in den TRAFO Galerien wieder einmal künstlerische Arbeiten für das Theater von Sabine Pommerening zeigen.

 

In Zeiten, in denen man schier verzweifeln möchte über das Böse in der Welt und über Kriege, die im Namen der Gerechtigkeit geführt werden, die  aber eigentlich immer nur einem Ziel folgen: Der Gier und der Macht.

 

Dieses war -so traurig es ist- immer ein Begleiter der Menschheit. Immer hat es diese Kriege gegeben, immer sind Menschen durch sie umgekommen, immer blieb nur Schutt und Asche und die Hoffnung der Menschen, dass so ein Krieg nie wieder über uns kommt.

 

Durch alle diese Zeiten der Menschen aber gab es einen Begleiter, der den Menschen immer wieder Hoffnung gegeben hat, der die Geschichten der Menschen -  die traurigen aber auch die schönen- für die Ewigkeit bewahrt hat. Dieser Begleiter waren Kunst, Literatur und Theater. Und von einem dieser Bewahrer unserer Geschichten – dem Theater soll diese Ausstellung erzählen.

 

Sabines Räume und Figuren sind ein Sinnbild dieses Bewahrens. Theaterinszenierungen zeigen Wesen von einer scheinbar anderen Welt, weil Attribute an ihnen so in das Absurde überhöht wurden, dass man erst nach genauerem Hinsehen Menschen aus unserem Umfeld oder gar uns selbst erkennt. Im Theater kann man menschlichen Eigenschaften und Macken bei anderen scharf angreifen oder sie liebevoll mit Augenzwinkern sehen. Das kommt ganz auf unseren Blick auf die Realität an.

 

Und der Blick von Sabine auf ihre Welt ist ein liebevoller. Sie liebt die Menschen und also liebt sie auch ihre Figuren und Akteure auf der Bühne. Mit einem kleinen aber liebevollen Stoß schickt sie diese Figuren ins Leben, in unser Leben. Und das tut sie, wie so viele Künstler, weil sie mit ihrer Kunst das Leben und also uns in Bewegung halten will, uns immer wieder zu dem anregen will, was nur uns Menschen einzigartig gegeben ist: DAS DENKEN und die PHANTASIE.

 

Kunst bringt uns das Unbekannte, Geheimnisvolle, das Fremde näher. Manchmal hart und unerbittlich, manchmal liebevoll und in homöopathischen Portionen.

Und: Kunst kennt keinen Hass – weder auf Fremde, noch auf andere Lebensentwürfe.

In den Märchen früherer Zeiten war es am Hofe der Narr, der dem König die Wahrheit sagen durfte ohne seinen Kopf zu verlieren. Heute gibt es noch Flecken auf dieser Erde, wo jemand für die Wahrheit durchaus seinen Kopf riskiert. In unseren Gefilden gilt das zum Glück nicht mehr. Aber dennoch wird die Wahrheit oft verpackt mit einer Prise Humor, mit einem Stück Zucker, damit der bittere Geschmack sich leichter ertragen lässt.

 

Lessing hat uns in seiner Ringparabel in „Nathan der Weise“ gelehrt, dass es den einen Glauben nicht gibt. Das Liebe, Freundschaft und Toleranz der einzige Weg zu einem friedvollen Miteinander sind. Und die Demut vor dem Leben. Das alles will und kann Theater erzählen. So wie jedes Theaterstück, jeder poetische Text, Zeit und Geduld braucht, um in sein Inneres, seinen Kern vorzudringen, so ist auch Sabine sehr geduldig und hat diese Poesie des Theaters für sich entdeckt.

Sie hat erkannt, dass Theater nichts Starres ist, sondern sich immer die Frage gefallen lassen muss: Warum spiele ich dieses Stück heute und jetzt?  Und sich dadurch immer wieder auch selbst infrage gestellt.

 

Und Fragen stellt der dramatische Text ausreichend, von Aischylos über Shakespeare bis Müller immer die gleichen von Liebe und Macht, Leben und Tod. Die Figuren dieses ältesten Spiels aller Zeiten taumeln durch Zeit und Raum und suchen nach Antworten.

Sabine liebt alle ihre Figuren als wären es ihre Kinder. Sie legt diese Liebe in ihre Arbeit, durchdringt selbst die finstersten Charaktere und gibt ihnen die Chance die Herzen der Zuschauer zu öffnen und zu bewegen.

 

Theater ist die Kunst Geschichten zu erzählen, wie sie so vielleicht nie passiert sind, aber täglich Realität werden können. Theater stellt bloß, überhöht, provoziert, hat das Lachen und das Weinen, das Salz des Lebens eben auf seiner Seite“ – so die Künstlerin.

Jeder, der in diese Welt der Figuren, Phantasien und Bilder eintaucht, wird erkennen, dass das Theater lebt, schon mehr als 2500 Jahre und es weiter leben wird, wenn es nur immer wieder von diesem Leben, der Liebe und Leidenschaft, dem Werden und Vergehen und auch den Träumen der großen und kleinen Helden erzählt.

 

Das Theater- ob Boulevard, Dramatik, Comedian, Revue, oder Tanz – das Theater hat es sich schon immer zur Aufgabe gemacht von diesen Geschichten der Menschen, ihrem Alltag und ihren Höhenflügen, ihren Heldentaten und ihren Abstürzen zu erzählen.

 

Der Mensch sollte erkennen, dass nur er selbst sein Schicksal baut. Das wird kein anderer für ihn tun. Die Kunst und das Theater können für diesen Erkenntnisprozess sehr hilfreich sein. So schafft Sabine mit ihrer Arbeit Räume, in denen die Konflikte eine Form finden, schafft Kostüme, die über die Zeiten reisen und uns mitnehmen wollen auf diese Reise.

 

Mit den kleinen Parabeln und Gleichnissen, die Theater auf die Bühne bringt, sagt es uns quasi durch die Blume,  was Menschen seit Jahrtausenden gelernt und erkannt haben, aber oft vergessen.

 

Hier eine kleine Parabel für sie zum Mitnehmen und weitererzählen: Wenn man einen Frosch in ein Gefäß mit heißem Wasser wirft, dann springt er ganz schnell wieder heraus. Ein paar wenige kleine Verbrühungen hat er sich sicher zugezogen, aber die sind bald verheilt und er lebt fröhlich weiter! Wenn man jedoch einen Frosch in ein Gefäß mit kaltem Wasser steckt und dann anschließend das Wasser ganz langsam erhitzt, bleibt der Frosch darin sitzen…bis er in dem heißen, kochenden Wasser kläglich ums Leben kommt! Und so wie diesem grünen Gesellen, so geht es vielen Menschen: Sie schaffen es nicht, dieses, ihr Leben zu verändern, schaffen nicht den Absprung aus ihrem Käfig der Resignation.

 

Darum also: Lasst uns bewegen, denken, die Schöpfung achten und das Leben genießen, unser Leben im Transit. Wie heißt es doch in einem Theatertext: „Ohne Blumen, ohne Träume, ohne schöne Purzelbäume, ohne Wurst und ohne Speck hat das Leben keinen Zweck.“  

 

In diesem Sinne wünsche ich allen hier und überall eine harmonische, sinnliche Zeit bis zum nächsten Jahr und noch viel weiter.

 

(Michael Pommerening, November 2022)

Ausstellung Nr. 65

Ausstellung Nr. 64

Zur Ausstellung.

 

Heute möchten wir ihnen Arbeiten einer Frau vorstellen, die eine recht ungewöhnliche Liebe zu ihrem Beruf gemacht hat. Anke Ilona Nikolai aus Berlin liebt Märchen und Mythen. Sie ist Märchenerzählerin.

 

Und weil sie die Mythe und Mädchen nicht mehr loslassen, hat sie ihren märchenhaften Träumen nun Gestalt gegeben. Sie illustriert ihre Phantasien, gibt ihnen Form und Farbe. Heraus kommen dabei Gebilde, Wesen, Phantasmen aus einer anderen Zeit, die es so nicht gegeben haben muss, die aber trotzdem lebendig werden, immer dann, wenn Anke Nikoleit in diese Märchenwelt abtaucht, in die Geschichten aus tausend und einer Nacht, aus fernen Zeiten und fernen Welten und damit nicht nur Kinder verzaubert.

 

Märchen und Mythen teilen miteinander, daß ihre Geschichte fast untergegangen, ihr realen Bezüge in Vergessenheit geraten sind.

 

Hinter der nur scheinbaren inhaltlichen Übereinstimmung von Märchen, Sagen und Mythen tun sich beim näherer Betrachtung aber große Unterschiede auf. Was die Theorie und Wissenschaft herkömmlich als Märchen einordnen, von der hstorischen Überlieferung der Mythen abhebt, ist ihre erzählerische Genauigkeit.

 

An den erhaltenen Mythen erkennt man leicht, was die Märchen nur sehr unklar ausdrücken: nämlich der Versuch des Menschen, Furcht vor Übermächtigem und Unverstandenem zu bewältigen. Mythen stehen oft vordergründig für eine bestimmte Weltauslegung, eine Lebensdeutung, die Etablierung von bestimmten Machtverhältnissen und deren historischer Rechtfertigung.

 

Bei dem Lesen und erzählen von Märchen ist das anders. Zwar bilden Märchen ideale Wunschbilder einer ausgleichenden Gerechtigkeit. Aber diese sind nicht aus inhaltlichen Gründen entstanden, sondern vielmehr aus dem Bedürfnis der Menschen sich in dunklen Stunden mit viel dazu Gedachtem oft auch brutalen und gruselig Erlebtem Geschichten zu erzählen, um diese Ereignisse zu verarbeiten. In Zeiten ohne Hightech Dauerberieselung war das die einzige Möglichkeit den oft unvorstellbar harten Alltag zu vergessen.

 

Schauen wir uns alte Familienfotos an, von Feierlichkeiten, auf denen mehrere Generationen zusammenkommen. Dort wird getanzt, gegessen und getrunken und je fortgeschrittener die Stunde, je mehr machen Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit die Runde. Geschichten, die wenn man sie nicht bewahrt, im Sande der Unendlichkeit verlaufen würden, vom Vergessen verschluckt, vom Verdrängen verdunkelt. Aber wir brauchen diese Geschichten, weil sie ein Stück von uns sind, weil sie vom Leben erzählen und vom Sterben, vom Gut und Böse, von Mensch und Magie.

 

Und so vielschichtig das Verhältnis der Menschen zueinander im Alltag ist, ebenso viele Charaktere, Stimmungen und Ansichten treffen bei Erzählungen, eben Märchen aufeinander.

 

Und so sehen wir in der heute zu eröffnenden Ausstellung mit Arbeiten der Märchenerzählerin Anke Ilona Nikoleit den Versuch diese Geschichten der Menschen, die den gesamten Erdball umspannen, in Form und Farbe zu bringen, ihnen Gestalt zu geben, diese märchenhaften Träume zu illustrieren.

Zu jedem Bild von Anke Ilona Nikoleit gibt es eine Geschichte. Anders als bei freier künstlerischer Entäußerung, die noch auf ihre Geschichte wartet, die noch gedeutet werden will, ausgelegt von den Menschen, die sie betrachtet, haben die Bilder von Anke Nikoleit schon eine Geschichte hinter sich. Sie sind gelebt, wurden durch Erzählungen weiter verändert, durch Ereignisse neu geordnet, durch Erfahrungen neu bewertet. In den Bildern finden wir einen Teil der tausendjährigen Suche der Menschen nach dem WOHER und WOHIN, dem Versuch der Dunkelheit des Wissens zu entfliehen, aber auch die Erkenntnis von der Schönheit des Lebens durch unsere tausendjährige Geschichte und über alle Kontinente hinweg.

 

Märchen sind –oft nur  in Gut und Böse eingeteilt- die in Geschichten geronnene Lebenserfahrung der Menschen, die ewige Hoffnung auf ein Happy End, weil nur die schönen Erinnerungen bleiben. Für die kurze Zeit, in der wir diesen Geschichten zuhören, entfliehen wir für einen Flügelschlag der Zauberfee aus unserem Alltag, halten inne und gehen einen Schritt zurück in unsere Erinnerungen.

 

In den Arbeiten von Anke Ilona Nikoleit finden sie ein Stück dieser Erinnerung.

Und diese Arbeiten möchten ihnen diese eine Idee, gegen alle digital Verliebten – und Kunstgeringschätzenden mit auf den Weg geben: erhaltet und bewahrt diese eure Geschichten, denn nur sie werden euch überdauern und von euch erzählen, wenn ihre schon lange nicht mehre durch diese irdischen Gärten wandelt.

 

Und deshalb die Bitte: Glaubt an Märchen. Nicht an die der Politik und Parteien, nicht an die der Mächtigen, sondern an die, die ihr selbst erlebt und erfahren habt.

 

(M.Pommerening, Regenmantel/6.8.22)

 

 

 

Ausstellung Nr. 63

 

Ausstellung Nr.62

Gedanken zur Ausstellung

 

Die Geschichte der Fotografie ist lang. Sie begann nicht erst mit dem berühmten Blick aus einem Arbeitszimmer in Le Gras. Aufgenommen wurde dieser Moment von Joseph Niépce 1826/1827. Er arbeitete zusammen mit Jacques Daguerre an einem Verfahren, Bilder für die Ewigkeit festzuhalten. Die Belichtungszeit dauerte damals mehrere Stunden und noch heute ist diese Fotografie erhalten und auch in dem Video zur Ausstellung zu sehen.

 

Nein, sie begann schon viel früher mit der Camera obscura -lateinisch für dunkle Kammer- und war ursprünglich ein abgedunkelter Raum mit einem Loch in der Wand. Leonardo Da Vinci erkannte erstmals die Nutzungsmöglichkeiten dieser Camera obscura.

 

Ab 1900 stellte die deutsche Aktien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation (kurz AGFA) Rollfilme für die Tageslichtwechslung in industrieller Produktion her.

Das war der Beginn der Fotografie, wie wir sie noch erlebt haben. Analog, spannend und auch eine wenig besonders.

 

Heute hat die Fotografie die Massen erreicht, Selfiewahn und Fotos von Schnitzel oder Schmollmund gehen digital um die Welt. Junge Spaßvögel stehen sich vor den Fotokästen auf der Straße die Beine in den Bauch um vier schwarz/weiß Fotos zu bekommen, aber eigentlich interessiert der spannenden Vorgang wie Licht und Chemie Bilder erzeugen kaum noch jemanden.

 

Wir sind wieder einmal an einem Punkt der Entzauberung angekommen, der etwa alle hundert Jahre eintritt. Angesichts der Rationalisierungs- und Normierungszwänge des Industriezeitalters beklagten Philosophen schon im Jahre 1919 die "Entzauberung der Welt".

 

Und schon davor im späten 18. Jahrhundert hatte sich die romantische Bewegung in England und Deutschland gegen das Regime der empirischen Vernunft und Aufklärung gewandt, gegen eine von der Rationalität vorangetriebene Entzauberung.

 

Ein Harvard Professor hat vorgeschlagen, das Netz müsse vergessen lernen, Fotos ins Netzt gestellt sollten sich nach einer bestimmten Zeit wieder löschen..

Auch dieser Wunsch erhielt recht bald seine Entsprechung. Die digitale Verwertungsmaschine lässt nie lange auf sich warten:  Snapchat heißt der Run: Eine-Foto-App, mit der man Bilder verschicken kann, die sich nach einer bestimmten Anzahl von Sekunden selbst löschen. Mehr als 50 Millionen Fotos werden so täglich über Snapchat verschickt.

 

Ob analog oder digital eines bleibt allein ein Zauber der Fotografie:

Einen  Augenblick, einen Wimpernschlag, eine unbedeutende Bewegung für die Ewigkeit festzuhalten. Was den Fotografen an diesem Wimpernschlag fasziniert hat, kann er nun mit uns teilen. Der unverstellte, uninszenierte, ungeschminkte Alltag der Menschen.

 

Der 1876 geborene August Sander hat diese Fotografie des Alltags zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Schausteller, Familien, Großunternehmer - sie alle standen für August Sander Modell. Mit seinem Porträtwerk über die deutsche Gesellschaft schuf der Fotograf einen Meilenstein der Fotografiegeschichte.

Ob Ferry Siering, von dessen fotografischem Werk wir heute in unserer Ausstellung nur einen kleinen Teil zeigen können, einst auch diesen großen Ruhm von Otto Sander für sich verzeichnen kann, wissen wir nicht.

 

Aber was wir wissen ist, dass Ferry Siering den gleichen Entdeckerinstinkt für die Geschichten des Alltags hat, die gleiche Freude daran uns mitzunehmen auf seine Reise hinter die Fassade des Fotos hinein in das Leben seiner Protagonisten. Seine Fotos entstanden bei seinen vielen Reisen in ferne Welten und andere Kulturen.

Hier sind ihm die Menschen begegnet, die ihn fasziniert haben in ihrer Alltäglichkeit, deren Gesichter Geschichten erzählen vom Leben, vom Leid, von der Liebe.

 

Hier im TRAFO.1 sehen wir diese Gesichter, aufgenommen bei Reisen nach Georgien, im TRAFO.3 in Reitwein sehen wir Fotoarbeiten von einer Reise nach Madagaskar. Hier sind es Bilder von Männern, in Reitwein Bilder von Frauen und Kindern.

 

Eines haben all die Fotomomente gemeinsam:

Ferry Sierings  Liebe zu den Menschen, sein Lust auf ferne Welten und seine Leidenschaft diese Augenblicke des Lebens für immer festzuhalten.

Trotz harter Arbeit und großer Armut erzählen diese Fotos von der Freude der Menschen am Leben, ihrer Sehnsucht und Nachdenklichkeit und ihrem Glück, dass sie bei jedem kleinen Schritt den sie in den neuen Tag gehen empfinden.

 

Seien wir Ferry Siering dankbar für diese Einblicke, die uns auch zeigen, wir arm Reichtum machen kann und wir reich an Lebensfreude oft die sind, die ganz wenig haben.

 

(Michael Pommerening, April 2022)

Ausstellung Nr. 61

 

Gedanken zur Ausstellung

 

Im letzten Herbst haben  wir uns für eine Ausstellung mit Arbeiten von Steffen Blunk zum Thema Zerstörung, Hoffnung, Harmonie entschieden. Dieses sich immer wiederholende Dreigespann ohne die die Geschichte von Kriegen nicht zu definieren ist, sollte mehr ein historische und reflektiver Exkurs in die Kunst werden.

 

Aber die Geschichte hat uns auf brutale Weise eingeholt.

 

Wir dachten dieses menschenfressende Monstrum namens Krieg sei gefesselt, gefangen und in die Tiefen der Erde versenkt worden, zumindest in Europa.

 

Nun ist es wieder erwacht und führt uns in erschreckendem Ausmaß vor Augen mit welcher Wucht, Hinterlist und Unmenschlichkeit es wütet. Und dieses Monstrum hat einen Namen und ein Gesicht. Wir können es greifen, verdammen und unseren Protest zur Waffe machen, aber stoppen -das zeigen die letzten Tage- lässt es sich dadurch so schnell nicht.

 

Und also hat sich mit der heute zu eröffnenden Ausstellung mit Arbeiten des Künstlers Steffen Blunk dieses Gesetz des Krieges von Hass, Zerstörung und Hoffnung hautnah spürbar und mit aller Gewalt wieder in den Fokus unseres Lebens gedrängt. Die Angst vor Krieg und Zerstörung hat sich erbarmungslos in unsere Seelen gefressen, lähmt unsren Alltag, zerstört unsere friedvollen Gedanken, unsere Sehnsucht nach Zärtlichkeit, Harmonie und Liebe.

 

"Die Welt soll durch Zärtlichkeit gerettet werden", schreibt Dostojewski einst. Er versteht das Zarte, das Friedvolle, das sich „vorsichtige Annähern", als eine Form sich wieder als Gemeinwesen zu entdecken.

 

Jeder Krieg beginnt mit einer Lüge. So auch dieser Krieg in der Ukraine.

 

Karl Kraus hat zu diesem Thema schon 1914 gesagt: Die größte Gefahr eines Krieges entsteht durch die Erzeugung einer Kriegshysterie; und zwar dann, wenn „die entwickelte Technik und die entwickelte Schamlosigkeit“ sich vereinen und mit den Möglichkeiten der Massenmedien die „Angst in Panik verwandeln“. Dann werden Grenzen überschritten und es ist so, dass eine „Depesche -also ein in den Medien verbreitete Nachricht - ein Kriegsmittel wie eine Granate“ ist.

 

Wir erinnern uns an die letzten Reden von Vladimir Putin vor dem Beginn der Invasion.

 

Nun ist Krieg und wir sind schon wieder machtlos?

Nein, noch immer muss die Stimme der Menschen ein Gewicht haben, zählt gewaltloser Protest um an den Säulen der Macht der ewig Kriegslüsternen zu rütteln.

 

Damit der Blick der Menschen immer klar auf die Feinde des Friedens gerichtet bleibt und wir keinen Lügen aufsitzen, in Zeiten wo die Wahrheit der Hysterie keinen Platz einräumen darf, in diesen Zeiten kann und muss  die Kunst an der Seite der Hoffenden stehen.

Auch Steffen Blunk zeigt uns in seinen Arbeiten die Brutalität des Krieges durch die Zeitenläufe der Geschichte.

Seine Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg wurde durch die Geschichte seines Großvaters, der 1943 beim Abschuss eines Schiffs auf dem mit ihm über 300 Soldaten ums Leben kamen, eingeleitet.

 

Steffen Blunk zeigt die Waffen des Todes ungeniert. Zeigt der Flucht der Menschen vor dem Krieg, zeigt die Vertreibung.

 

Stilistisch arbeitet Steffen Blunk  in seiner Malerei mit dem Mittel der Lücke. Das heißt an einer bestimmte Stelle meißelt er Figuren aus dem gerade auf einer Holzfläche entstehendem Bild wieder heraus, sodass nur noch die Silhouetten bleibt.

 

Wir als Betrachter denken uns die Figur -meist ist eine Frau als Symbol der Liebe- die einst dort gesessen, gelegen, gelacht hat wieder hinzu, weil sie untrennbar zur Harmonie des Bilder gehört. Zur Harmonie, zur Vollkommenheit des Lebens eben.

 

Wo eine Lücke war, die gerade der aktuelle Krieg in unsere Herzen, unsere Gedanken und ganz real in der Ukraine jetzt aus dem Leben reißt, setzten wir wieder diese Bilder von Menschen wie wir sie uns denken in das Bild ein. Ein Akt der Sehnsucht nach Frieden und Harmonie, die jeder Menschen ins sich trägt.

 

In den Bildern von Steffen Blunk sehen wir die tiefe Sehnsucht des Künstlers nach Liebe und dem Schutz des Lebens, ohne den Liebe nicht denkbar ist.

 

Wir sollten uns diese Sehnsucht nicht rauben lassen. Von keinem Kriegstreiber, von keinem kapitalen Profiteur, von keinem Hassprediger und Lügner.

 

Wir Menschen sind die Träger der Hoffnung, die Kunst ist unsere kreative Waffe gegen die Dummheit. Die Freiheit der Kunst ist unser Weg der Erkenntnis.

 

Ist diese Freiheit nicht unser höchstes Gut, ihre gesetzliche Verankerung nicht unser ganzer Stolz? Wir dürfen uns diese Freiheit nicht nehmen lassen. Durch keinen Krieg und keinen Diktator, durch keine Waffen und keine Lügen.

 

Bleibt wachsam, seid solidarisch, helft denen die es brauchen, stiftet Frieden.

 

Und deshalb ist die heutige Vernissage nicht nur ein freudiger Grund, ein Grund zum Feiern, sondern für uns ist es eine Mahnwache, eine Mahnwache für die Wachsamkeit, eine Mahnwache der Solidarität eine Mahnwache für den Frieden.

 

Die Bilder von Steffen Blunk werden uns wieder einmal einen Weg zeigen, den die Kunst schon seit Jahrtausenden geht, den Weg der Phantasie, des menschlichen Miteinander der Toleranz.

 

Lasst uns an die Menschen in der Ukraine denken, die diesen sinnlosen Krieg erleiden müssen, an die Toten dieses Krieges, die ewige Lücken in das Leben gerissen haben und an die Vertriebenen, die in Europa und eben auch unter uns in Deutschland leben und auf Frieden und Rückkehr in ihre Heimat Hoffen.

 

In diesem Sinne eröffne ich unsere Ausstellung. Eine Ausstellung der Hoffnung.

 

Michael Pommerening, März 2022

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