Worte zur Ausstellung
Das Jahresende ist kein Ende und kein Anfang, sondern ein Weiterleben mit der Weisheit, die uns das Leben gelehrt hat.
Am Anfang war das Licht. Und was wird am Ende sein? Der berühmte Tunnel oder nur ein schwarzes Loch?
Was am Ende dieses Jahres sein wird, wissen wir. Die Feier mit Freunden oder in der Familie, der Eierlikör von Tante Emma oder Glühwein an der einsamen Bude am Rand der Einkaufsmeile, BallerBöllerSeeligkeit.
Weihnachten – das Fest der Träume, der Familie, der prall gefüllten Geschenksäcke und üppig gedeckten Tafeln steht vor der Tür. Zeit auch der Märchen und Geschichten.
Jetzt, wenn im Dezember die kalten Winterwinde den ganzen alten Müll von Straßen und Feldern wehen, der Schneesturm uns die Tränen in die Augen treibt und wir irgendwie auch darauf warten, ein Neues Jahr anzugehen, bleiben aber trotz allem einige wenige Erinnerungen an Vergangenes.
An Menschen, die uns begegnet sind, an unsere Kinder und Enkel die uns Freude gebracht und etwas Aufmerksamkeit genommen haben, an eine Liebe und vielleicht auch eine Trennung und an die vielen kleinen Geschichten die bleiben werden. Schon immer hat man sich in dieser Jahreszeit Geschichten erzählt und diese weitergetragen. Zuerst mündlich und dann -den Gebrüdern Grimme sei Dank- auch aufgeschrieben.
Auch wir die Macher der kleinsten Galerien der Galaxis -wie wir gern in aller Bescheidenheit anmerken wollen, denken zurück an wunderschöne Kunstwerke, an hoffnungsvolle Begegnungen hier am Feldrand, oder einfach nur ein Wiedersehen mit Freunden aus alten Tagen.
All das will dieses Kunstprojekt nun schon seit fast 8 JAHREN anregen. Und auf diesem Weg sind sie uns immer wieder begegnet, die Traumphantasien aus alten Zeiten, die Phantasten von heute und die Visionäre von morgen und übermorgen. Aber auch die ewig gestrigen sind nicht verstummt und die Futuristen am Freitag auch nicht. Sie alle sind die bunte Melange von Menschen mit ihren Gedanken und Träumen. Wir alle zusammen bilden diese unsere Gesellschaft. Wir können niemanden ausschließen, es ist gar nicht unser Recht unser Denken für das allgemein gültige zu halten.
Aber alle seien verdammt, die diese Geschichten und Märchen aus vergangenen Zeiten aus unserem kollektiven Gedächtnis streichen oder einfach nur durch falsche Konsumträume ersetzen wollen.
Damit dies nicht geschieht, gibt es auch solche TrafoKunstTürme wie hier in Regenmantel, die ihr Antlitz den rauen Stürmen des Alltags entgegenwenden.
Denn wir brauchen diese Geschichten und Märchen, auch weil sie ein Stück von uns sind, weil sie vom Leben erzählen, von Helden und Abgehängten, von Mutigen und Ängstlichen von Herzlosen und denen, die Liebe und Trost schenken.
Kunst bringt uns das Unbekannte, Geheimnisvolle, das Fremde näher. Manchmal hart und unerbittlich, manchmal liebevoll und tröpfchenweise.
Kunst kennt keinen Hass, Kunst will unsere Herzen erreichen, sie auftauen, unsere Sicht auf Schönes und Neues lenken, uns Mut machen. Und so ist diese Zeit im Dezember auch dazu da, sich zu erinnern, innezuhalten an die Kraft des Verzeihens und Nachgebens denken und auch daran, die Geschichten aus alten Zeiten wieder ans Tageslicht zu holen und sich an ihre Figuren zu erinnern.
Figuren, die die Weisheit von Generationen in sich tragen und dadurch Hoffnung machen, das wir nicht eines Tages im oberflächlichen Twitterstormen und Youtuben an Bedeutungslosigkeit zu Grunde gehen, das wir klug und wachsam bleiben, solidarisch und kämpferisch, verträumt und neugierig, Fehler machen und dieses auch erkennen. Das wir verletzbar sind und bleiben und nie perfekt, so wie die Figuren aus den Märchen, von denen sie einige auf der kleinste Drehbühne des Universums – bei aller Bescheidenheit versteht sich-drehen sehen können in der kleinste Galerie des Universums…bei aller..na sie wissen schon.
Und vor dem Druck auf den Knopf kommt wie immer Musik, heute von der zauberhaften Veronika Otto mit ihren noch zauberhafteren Instrumenten….
(Michael Pommerening, Regenmantel im Dezember)
Schattenrisse so lautet die Ausstellung mit künstlerischen Fotografien von Kathrin Karras, die wir heute und hier eröffnen wollen.
Beim Betrachten der Fotografien entsteht der Eindruck, dass ein Foto, mehr als nur einen Bildeindruck wiedergibt, eher sind es Schichten, die übereinander gelagert mehrere Bilder, Eindrücke, Wesenszustände der Künstlerin wiederspiegeln.
Erinnerungen auch, die der Mensch -bewusst oder unterbewusst- in seinem Leben sammelt und auf seiner wachsenden Festplatte für die Ewigkeit speichert. Oder eben nicht für die Ewigkeit, sondern nur für die Zeit seines Lebens hier auf diesem bunten und unendlichen Planeten. Gäbe es da nicht die Kunst. Sie ist es, die über unser Leben hinaus, Erfahrungen, Ideen und Phantasien sammelt, bewahrt und für die Nachkommen haltbar und sichtbar, also erfahrbar macht.
Nur die Kunst kann unsagbares, unterbewusstes, geträumtes und phantasiertes für die Ewigkeit konservieren. Und so spielt eben und gerade die Kunst mit dem Bewussten und Unterbewussten.
Das Bewusstsein ist die Summe aller Erfahrungen, den daraus abgeleiteten Erkenntnissen und den wiederum daraus entstandenen Überzeugungen. Nur ein ganz kleiner Teil dieses riesigen und hoch komplexen Gebildes kann der Mensch zumindest teilweise direkt beeinflussen und steuern - auf den wesentlich größeren Teil haben wir kaum oder nur sehr begrenzten Zugriff. Absolut alles, was wir Menschen erleben und fühlen ist gespeichert, schöne Momente ebenso wie traumatische Erfahrungen- sie werden am Ende aller Tage das ausmachen, was uns als Individuum so einzigartig macht.
Die Art, wie wir denken und die inneren Bilder, die wir durch unser Denken hervorbringen, bestimmen unser Sein. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass 95% unserer menschlichen Ressourcen tief im Unterbewusstsein verborgen sind. Kathrin Karras hat in ihren Fotografien diese Bilder, diese ganz persönlichen unterbewussten Zustände, Gedanken, Erinnerungen abgespeichert und in einem kreativen Prozess digital reproduziert. Sicherlich sind das ganz persönliche Momente, ganz private tief im Inneren versteckte und gespeicherte sinnliche Erfahrungen.
In ihren Fotos holt sie diese Erfahrungen aus dem Unterbewusstsein hervor, schichtet sie dann wieder neu, um so ein künstlerisches Bild, eine Momentaufnahme ihrer Erfahrungen dingfest zu machen.
Über 90% unseres Bewusstseins entziehen sich unserer direkten Wahrnehmung. Das Unbewusste oder Unterbewusstsein ist der Teil, der Bilder, Klänge, Gerüche, Geschmäcke, Gefühle, Emotionen erzeugt. Jede Falte eines Stuhls auf dem wir sitzen, jeder flüchtige Geruch einer Begegnung mit fremden Menschen, jedes nur unbewusst wahrgenommene Geräusch werden wir verarbeiten und in unserem inneren Speicher ablegen. Alle Eindrücke und Erfahrungen werden wir jeden Tag, jede Minute speichern, Herzschlag, Drüsenfunktionen, die Steuerung jeder einzelnen Zelle in unserem Körper wird als kollektives Muster gespeichert.
Und bei ähnlich gearteten Situationen kann der menschliche Geist diese tief im Inneren gespeicherten Erfahrungen abrufen. Meist geschieht das ungewollt. Hier im Falle der Fotografien von Kathrin Karras geschieht das bewusst. Sie hat aus ihrem tief im Inneren versteckten Speicher, diese Erfahrungen, Erinnerungen und Phantasien hervorgeholt und uns mittels Technik und Kreativität als eigenständiges Kunstwerk präsentiert.
So gewährt sie uns Einblicke in ihre ganz private Welt und eröffnet uns eine Welt, in der wir nur erahnen können, was eigentlich in uns allen steckt.
Wir beweisen uns ständig, dass wir mehr wissen, als wir denken und beschreiben können. Ohne nachzudenken, entscheiden wir spontan, noch schnell über die rote Ampel zu laufen oder das eine oder andere Produkt zu kaufen oder eben nicht. Im Unterbewusstsein jedes Menschen lagern Wissensschätze, aus denen er täglich schöpft, ohne es zu merken.
Menschen können den permanenten Lernprozess ihres Gehirns nicht unterbrechen. Hat das Auge eines bildenden Künstlers im Vorübergehen einmal eine Form gestreift, wird sie ihm mit ein wenig Glück irgendwann, vielleicht im Augenblick des Kreativseins, zu Bewusstsein kommen. Zehn Millionen Sinneswahrnehmungen in der Sekunde bombardieren den Menschen, selbst dann, wenn er bloß abends auf dem Sofa sitzt und Chips in seinen Körper steckt.
Das hat Kathrin Karras also nicht getan, das mit den Chips meine ich, sondern von diesen Milliarden Sinneseindrücken ihres Lebens einige für uns in wunderschönen Fotografien festgehalten. Eindrücke, die vielleicht nur einen Bruchteil von Sekunden ihr Bewusstsein gestreift haben, oder sich minutenlang in ihr Gehirn gebrannt haben.
Einen ganz kleinen Bruchteil von diesen unterbewussten Sinneseindrücken kann man nun in den drei Trafo-Galerien anschauen. Den Rest wird Katrin Karras wohl noch für sich behalten und vielleicht später einmal zum Leben erwecken. Denn nicht alles aus den Tiefen unserer Seele soll an die Oberfläche des schnöden Alltags. Es soll und wird unser Geheimnis bleiben- bewusst oder unterbewusst.
Stefen Janisch hat seine Eindrücke beim Betrachten der Fotos in Klänge umgesetzt. Einen kurzen Eindruck hören sie jetzt.
Viel Freude beim Betrachten der Arbeiten wünsche ich Ihnen und lassen sie die finsteren Bilder ihrer Erinnerungen ruhig weiter ruhen, ganz tief im Unterbewussten.
Michael Pommerening, Oktober in Regenmantel
Das andere Ich
Wir eröffnen heute eine Ausstellung mit Bildern von Antje Scholz.
Dieses ist mir eine besondere Freude, hat Antja Scholz doch mit ihren wunderschönen, geheimnisvollen, fantastischen Bildern vor über sieben Jahren, dieses Galerieprojekt/ TRAFO – Kunst an unbekannten Orten/ eröffnet.
Viel hat sich seitdem getan, unter anderem inzwischen 47 Ausstellungen, die Jahresringe haben uns mehr und mehr verändert, die Natur um uns ist in stetigem Wandel und auch die Gesellschaft und die Welt auf der wie leben, ist eine andere geworden.
Zeit sich einmal Gedanken zu machen, was es so auf sich hat mit dem Wandel, oder wie man ihn auch wissenschaftlich nennt, der Metamorphose.
In der Mythologie spricht man von einer Metamorphose, wenn Götter die Gestalten von Menschen veränderten. Die Götter Zeus und Hermes zum Beispiel wollten einem liebenden Paar einen Wunsch erfüllen – als Belohnung für ihre Gastfreundschaft. Die beiden wünschten sich, gleichzeitig zu sterben, damit keiner allein sein müsse. Und so verwandelten sie die Götter später in zwei Bäume, die sich mit ihren Ästen umarmen und so in Liebe ewig vereint blieben.
Die Metamorphose etwa von Menschen in Tiere sind an sich nichts Neues. Ob in der griechischen Mythologie, wo Zeus allerlei Tiergestalten annimmt, ob Mephistos Auftritt im Studierzimmer oder die zahlreichen phantastischen Metamorphosen bei E. T. A. Hoffmann – stets geht es um den Einbruch einer übernatürlichen Sphäre in die Wirklichkeit der Menschen.
Auch wenn sich eine Pflanze verändert, um besser überleben zu können, nennt man das Metamorphose. Also: Metamorphose als Überlebensstrategie?
Die Entwicklungspsychologie besagt, dass es des Anderen bedarf, um meine eigene Identität zu entwickeln.
Aber klar ist auch, dass uns das Fremde ebenso anzieht wie es uns oftmals abzustößt. Wir sind gelangweilt von dem ewigen Wiederkäuen, den immer gleichen monotonen Gesprächen auf Partys, Vernissage oder Pressekonferenzen von Sport und Politik. Wir haben Sehnsucht nach der Ferne, nach anderen Kulturen, anderen Essgewohnheiten, anderer Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.
Wir wollen eben Neues. Anderes. Doch wenn dieses andere zu uns kommt, wenn es sich an unseren Gabentisch setzt unseren Alltag beeinflußt - lehnen wir es oftmals ab. Dann ist es das Fremde. So verwirrt geht der Mensch mit seinen Träumen und Phantasien um und dieser Umgang ist eben aber auch so alt wie die Menschheit.
Nur jetzt richten uns keine Götter mehr diese Welt ein, beehren uns mit ihren Gaben oder Strafen- nein jetzt müssen wir es selber tun. Das ist wohl die Crux mit der eigenen Verantwortung.
Aber auch in der Liebe ist dieser Weg der Verwandlung, der uns von dieser Liebe zu einem anderen Menschen hinzieht. Und uns ebenso wieder von ihm fortstößt, hin zu einem/ zu einer Anderen. Was uns an der Kunst so fasziniert. Am Forschen. Am Reisen. Ja das, was uns zu Abenteurern auf diesem Planeten macht, das ist die ewige Sehnsucht nach Verwandlung.
Und diese Sehnsucht spiegelt sich in den Bildern von Antje Scholz, wie ich finde in faszenierender Weise wieder.
Ihre Gestalten - Menschen auf der Suche - angstvoll, sehnsüchtig, ohnmächtig, neugierig.
Sie stehen hier für die widersprüchlichen Gestalten der Antike. Von Athene – der Göttin der Weisheit und Strategie, über Kassandra, die Seherin, die aber kein Gehör fand bis hin zu Aphrodite, der Göttin der Schönheit, der Liebe aber auch der Begierde.
In den Bildern von Antje Scholz sehen wir Züge dieser antiken Halb- und Götter, aber eigentlich Menschen mit ganz alltäglichem Antlitz. Weil diese jahrtausende alten Charakterzüge, ob göttlich oder irdisch sich durch die menschliche Entwicklung ziehen, weil es eben diese Widersprüche sind, die uns zum Menschen machen.
Dahingestellt bleibt, ob die Strategen von heute wirklich weise sind, ob die Seher von heute, oft selber nichts sehen. Aber gut, sie sind ja auch keine Götter mehr, obwohl die Entlohnung für ihre Dienste oft himmlisch anmutet.
Es war Publius Ovidius Naso, auch bekannt als Ovid, der 8 n.Chr. seine Verwandlungen sprich Metamorphosen verfasst hat. In 15 Büchern beschreibt er die Beziehungen zwischen Menschen und Göttern sowie die Folgen von Gehorsam und Ungehorsam, wobei die Bestrafung oder Belohnung der Menschen stets durch eine Verwandlung erfolgte.
Diese Verwandlung ist es also, die sich bis heute durch die Geschichte der Menschheit zieht, von der Antike bis hierher ans Maisfeld.
Schließen sie die Augen, denken sie an ihre geheimen Fantasien und Träume und auch daran, ob in diesen Visionen nicht oft ein anderes Ich erscheint, eine andere Identität . Keiner von uns ist nur eins. Alle sind wir anderthalb, halb das eine, halb das andere und halb das Ideale, von beidem eine Hälfte. Und verstoßen sie nie eines von beidem – nicht das eigen und nicht das Fremde.
Und nun öffnen sie die Augen und betrachten mit Neugier und ein wenig Sehnsucht, die wunderschönen, wunderstarken und wundersamen Bilder von Antje Scholz.
Doch zuvor ein Paar Zeilen aus Ovids Metamorphosen, vorgetragen von der Künslerin selbst.
WORT AN DEN TAG
Ich glaube an die allmächtige Kraft von Begegnungen.
In Zeiten, wo in der Praxis allem Anschein nach mehr dafür getan wird das Trennende denn das Verbindende zu nähren, ist wie schon so oft gesagt die Kunst dazu prädestiniert hier Hoffnung zu geben.
Man kann es nicht oft genug sagen: Kunst ist frei. Deshalb kann sie verbinden.
Glauben, Liebe, Hoffnung- das sind die Elemente, die anscheinend im Alltag keinen Sinn mehr machen. Aber Kunst kann diese Adern des pulsierenden Lebens ständig präsent halten. Sie will und muss es, denn ohne diese Adern würde die Kunst keinen Sinn machen, wäre sie nur eine hohle Phrase oder eben lárt pour lárt..
Kunst und Kultur schaffen uns eine notwendige Pause von der täglichen Tretmühle und von unserem chaotischen und oft vulgärem politischen Alltag und sie ist eine Chance, unsere Phantasie und Energie zurück zu gewinnen.
In der heute zu eröffnenden Ausstellung sehen wir Arbeiten von Elke Pollack aus Berlin und Gotcha Chkhaidze aus Kutaissi in Georgien, die sich in ihrem Abbild von Realität persönlich und im Geiste begegnen.
Wir sehen in ganz unterschiedlichen Techniken und Auffassungen von Malerei, Bilder aus dem Alltag hier in Berlin und dort in Georgien. Menschen, die sich begegnen, verweilen und sich wieder trennen.
Was bei Elke Pollack ein ständiges Kommen und Gehen, permanente Bewegung um sich selbst und die pulsierende Kraft der Stadt abbildet, ist bei Gotcha Chkhaidze der Blick auf die Tradition, auf Menschen in Ruhe und Harmonie, auf überbordende Farbexplosionen und die Ahnung von der Kraft, die auch aus Geschichte und Vergangenheit kommt.
Und hier wächst aus dieser künstlerischen Begegnung eine alte dialektische Erkenntnis: Das Wechselspiel von der Kraft des Alten und der schöpferischen Phantasie des Neuen. In dieser Begegnung liegt die Hoffnung, das Tradition und Moderne in ihrem Wechselspiel unserem Leben immer wieder einen Sinn geben werden.
Das Bewusstsein von der Unzulänglichkeit gegenseitigen Verstehens und Kennens stellt eine wesentliche Voraussetzung dar, damit sich Gemeinsamkeiten zwischen Kulturen entwickeln können.
Aber nicht nur hier in Regenmantel am Maisfeld sondern auch in der Geschichte haben die Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien eine über 200jährige Tradition, die zurückgeht auf die Einwanderung schwäbischer Bauern im Jahre 1817. Sie haben damals auch ihre Kultur in ihr Gastland eingebracht….hoffentlich nicht nur ihren Sparzwang, aber davon kann uns ja Gotcha nachher berichten.
Mit dem stetigen Anwachsen der konservativen Kräfte, die sich gegen alles Anderssein abschotten, wird es wichtiger denn je zu erkennen, dass es nur das gegenseitige Kennenlernen, das Fremde zu erkunden, auch Gegensätze wahrzunehmen ist, was uns Menschen die Chance bietet in diesen so komplizierten Zeiten zusammenzuleben.
Und die Kunst ist es, die diesen Prozess ganz maßgeblich führen kann. Gegen alle rechte Gewalt und rechtes Geschwätz muss die Kunst verbinden, Austausch schaffen, Phantasie, Hoffnung und Liebe zu der treibenden Kraft unseres Lebens machen.
Die Einsamkeit des Individuums, das ohne kollektive Illusionen allein seinem Schicksal gegenüber steht und dazu gezwungen wird, sich in der trockenen, lauten Welt zurecht zu finden, ist zwar ein Prinzip der kapitalen Manipulation, aber eben nicht das Leben, welches uns zu neuen Formen des Miteinander führen wird.
Schauen sie auf die Bilder von Elke Pollack und Gotcha Chkhaidze und erkennen sie, was Kunst vermag, welche Hoffnung von ihr ausgeht, welche Kraft sie uns für den Alltag schenkt und auch wie sinnlich und genussvoll unser Leben täglich sein kann. In den Begegnungen mit dem Fremden, in den langen Tafeln mit Speis und Trank, in den Lieder von heute und der Musik aus der Vergangenheit.
Sehen wir es wie Franz Josef Degenhardt in einem Lied:
Also kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen
der Hammel ist gar überm Lauch.
Paprika soll uns im Halse brennen
der reife Kartoffelschnaps auch.
Harmonika spielen wir und Trompeten
elektrischen Bass und Schalmei
und werden noch unter den Bäumen liegen
wenn morgens der Nachtvogel schreit.
Es sind nur 300 Meter bis zum Glück. Folgen sie uns zum Pflaumenbau.
(Michael Pommerening, im Juni 2019)
Worte „Hoffnung Afrika“
Vor knapp zwei Jahren haben meine Frau und ich das westafrikanische Land Gambia besucht. Vorrangegangen war diesem Besuch eine Einladung eines Freundes aus Berlin, der vor über 15 Jahren nach einem Burn out der Stadt und dem Land fluchtartig den Rücken gekehrt und Wort wörtlich über Nacht einen Flug nach Gambia gebucht hatte und seit dem dort lebt. Hier ein erfolgreicher Geschäftsmann hatte er dort in Gambia die Hoffnung noch einmal von vorne anfangen zu können. Inzwischen hatte sich diese Hoffnung durch viel Fleiß und Geschick erfüllt.
Damals im Dezember 2016 gingen in Gambia viele Menschen auf die Straßen um den bisher diktatorisch herrschenden Präsidenten Yahaa Yahmee, der das Land über 23 Jahre mit Korruption und Gewalt regierte, abzuwählen. Der neugewählte Präsident Adama Barrow- der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes- konnte aber sein Amt nicht sofort nach der Wahl antreten, weil der alte Diktator seinen Platz nicht räumen wollte. Und wieder gingen tausende – vor allem junge Gambier auf die Straße- um den Diktator Yahmee aus dem Land zu jagen. Der Ruf, der damals übers Land fegte lautete „Gambia has decided“ also: Gambia hat sich entschieden.
In dieser Situation des Aufbruchs, des Neuanfangs nach 23 Jahren Diktatur, wollte wir das Land besuchen, um einen kleinen Eindruck von der Stimmung und den Gefühlen der Menschen einzufangen. Für Journalisten war es damals noch sehr schwer mit Mikro und Kamera durch das Land zu reisen. Noch zu tief saß die Angst vor Repressalien und Gewalt.
Also reisten wir als Touristen auf Einladung eines Freundes.
Diese Reise durch das mit 2 Mio. Einwohnern und einer Fläche von knapp 12.000 qkm kleinste Land Afrikas, führte uns vom Meer, den Fluß Gambia entlang, ins Innere des Landes und zurück.
Wir trafen vom Fischer, über die Marktfrau, von jungen Unternehmern bis zum Schamanen Menschen, denen eines gemein war: Die Hoffnung.
Die Hoffnung auf Veränderung für eines der ärmsten Länder Afrikas. Diese Hoffnungen haben wir in Fotos, einem Buch und in einem Film festgehalten.
Gambias Bevölkerung ist zu 90 Prozent muslimisch, neun Prozent christlich und etwa ein Prozent gehört traditionellen indigenen afrikanischen Religionen an.
Der Glaube wird im Land eher moderat praktiziert, trotzdem beherrscht er den Alltag- ist die Kultur des Landes.
Glaube und Hoffnung sind der Grundpfeiler, auf denen - und nicht nur in Gambia, sich die Menschen stützen, wenn ihnen alles andere versagt bleibt.
Hoffnung ist ein in unserer Natur angelegte Bedürfnis, dass sich die zukünftige Verwirklichung unserer Wünsche und Absichten erfüllt/erfüllen möge.
Aber Glaube ist auch das von der Kirche propagierte alleinige Instrument dazu. Hoffnung lässt uns jeden Morgen aufstehen, lässt uns Krankheiten überstehen, ist die Triebkraft dunkle Stunden zu überwinden, ist das Leben überhaupt. Daraus leiten wir auch die Erkenntnis ab, dass es die Hoffnung ist, die zuletzt stirbt.
Die oft als neue Völkerwanderung bezeichnete Situation der letzten Jahre gipfelte in der Schlagzeile:
In Gambia -dem Land mit den meisten Flüchtlingen damals -aber motivierte nach dem Sturz des alten Diktators seit 2017 dieser Kampf zwischen Hoffnung und Verzweiflung das Denken und auch das Handeln der Menschen.
Hoffnung und Träume sind zwei Kinder der gleichen Mutter. Beide haben Wünsche Sehsüchte, aber im Gegensatz zum Traum birgt die Hoffnung die Suche nach einem Weg der Erfüllung, wiewohl der Traum ein Blick ins Nirwana ist und ewig weit weg, nicht mit dem Weg zur Erfüllung bedacht wurde. Aus ihm wird nach dem Erwachen vielleicht eine Hoffnung und daraus wird wieder die Suche geboren. Never ending Story.
Aber jede Geschichte ist auch die Geschichte eines Neubeginns.
Und so wollten sich die Menschen in Gambia auf keine philosophischen Erkenntnisse verlassen. Und weil sie sich nicht wieder auf die Hilfe andere einlassen wollten, haben sie ihre Geschicke selber in die Hand genommen, sind wieder auf die Straße gegangen und haben ihr Recht erstritten. Und: es war vor allem die Jugend die diese Proteste angeführt hat. Angesichts der „Friday for Future“ Bewegung kommt doch allmählich auch bei uns die Erkenntnis, dass der Stein des Anstoßes, die Naivität es ist, die die Welt als ein einfach zu erklärendes Prinzip erkennt. Sich auf die Weisen und allzu klugen zu verlassen funktioniert anscheinend nicht mehr.
Und so soll die Ausstellung in den TRAFO Galerien von dem Mut der Menschen in Gambia, von deren Hoffnungen berichten, aber auch den Blick dafür schärfen, dass unsere Hoffnungen immer auch auf die Jugend gerichtet seien sollte. In ihr liegt unsere Zukunft, bei uns im Land, in Afrika wie auf der ganzen Welt.
(Michael Pommerening, April in Regenmantel)
Worte
Je mehr Blätter vom Lebenskalender ins Gras oder den Schnee fallen, um so mehr sammeln sich Einsichten, die für mich letztlich nur in Ideen geronnene Lebenserfahrungen sind.
Einer dieser Erkenntnisse ist mein Verhältnis zum Glatten und das ist ein sehr gestörtes Verhältnis.
Nein, ich will sie nicht, diese glattgebügelte Welt ohne Ecken und Kanten, ohne Widersprüche und Irrwege, nein ich mag sie nicht diese glatt genormten und nach dem Katalog ausgerichteten süddeutschen Reihenhaussiedlungen real oder nur im Kopf.
Nein ich strebe nicht die Perfektion an, denn Perfektionismus ist die größte Gefahr für Fantasie und Kreativität.
Der politisch gewollte Konformismus macht weder vor krummen Gurken halt, noch vor einem Denken in vorgegebenen Bahnen. Er will in unsere Köpfe damit wir schnelle einzuordnen sind in die Karteikästen der vermeintlich politisch korrekten Ja-Sager. Damit sie uns als Herde besser führen können und als Lemminge besser leiten können in ein System indem wir zu allem ja und ahmen sagen unser Kreuz mach an die vorgedachte Stelle.
Kunst ist ein Weg ständig das Aufbegehren zu üben und zu praktizieren.
Ist eine Möglichkeit aus dem Dunstkreis der Gartenzwerg-Ideologie auszubrechen, vorgestanzte Wege zu verlassen und eigene zu gehen. Ob gelbe Westen oder die Idee vom Aufstehen, die Sehnsucht der Menschen lässt sich auf die Dauer nicht normieren.
Die Formen und Farben, die Figuren und Fragmente von Erika Stürmer Alex sind so, so unkonform, so unschablonierbar, so gar nicht vorgestanzt. Ihre Phantasien über das Leben und die Natur entstehen jeden Tag neu, werden nicht immer Gestalt, aber bleiben Idee, für immer und immer, in ihrem Kopf und in unseren Köpfen auch, wenn wir es wollen. Schön ist eben nicht, was allen gefällt, schön ist was die Idee vom Leben und die Lust am Leben selber reflektiert.
Diese Abbilder vom Leben schafft Erika Stürmer-Alex nun schon seit über 50 Jahren.
Schon früh hat sie diesen Weg in die Kunst gefunden… als den ihren. Seit sie als Kind aus oderbruchschem Lehm ihre ersten Figuren geformt hat, wusste sie, dass Kunst einmal ihr Leben ausfüllen wird. Und bis heute - hunderte Kunstwerke später- ist das so geblieben.
Heute dagegen hat Schönheit ein immer schnelleres Verfallsdatum. Sie ist ein gnadenlos inszenierter Wettbewerb um gesellschaftliche Ressourcen in immer schnellerem Tempo. Kunst ist zur Ware geworden und hetzt immer schneller durch den Supermarkt der Eitelkeiten. Dabei rückt das Glatte ohne Ecken und Kanten oft ins Zentrum. Wir lesen vom Brasilien Waxing, sehen die Skulpturen von Jeff Koons und halten den Handschmeichler iPhone ehrfürchtig in unseren Händen.
Bayun Schul Han (Berliner Philosoph) sieht das so:
Diese glatte Oberfläche des Smartphones ist eine Haut, die nicht verletzbar ist, die sich jeder Verletzung entzieht. Heute entsteht eine Kultur der Gefälligkeit. Das kann ich auch auf die Politik beziehen.
Politiker haben offenbar keine festen Überzeugungen, keine Visionen. Sie schaut auf die Straße, und je nach der Stimmung auf der Straße ändert sie die Meinung. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima ist sie plötzlich gegen Atomkraft. Man könnte auch sagen, sie ist aalglatt. Heute haben wir es tatsächlich mit einer glatten Politik zu tun.
Anders bei den Arbeiten von Erika Stürmer-Alex.
Sie erschafft Momente der Verwirrung, Objekte aus Alltagsmüll, malt Farben auch wenn dieses sich beißen, schafft Bilder, die bei jedem Betrachter ihre Ecken und Kanten zeigen und so bei jedem Menschen eine andere Geschichte erzeugen, einen anderen Blick auf die Realität weit weg von Norm und Vorgegebenem.
Die Kunst von Erika Stürmer-Alex ist es gerade diese freien Gedanken über das Leben und die Lust am Leben, diese Erfahrung bei jeder Begegnung mit ihrer Kunst neu zu machen. Kein Tag wird wie der andere sein. So wie unsere Erkenntnis über das Leben jeden Tag neu vor unserem Auge erscheint, so ändert die Begegnung mit den Arbeiten von Erika Stürmer-Alex auch jeden Tag unseren Blick auf diese Welt.
Mit ihren farbgewaltigen Bildern lässt sie die Sonne in unsere Herzen. Mit ihren ideenreich zusammengefügten Menschenfiguren zaubert sie uns ein Lächeln ins Gesicht und mit ihrer so gar nicht konformen oder uniformen Objekten treibt sie die Phantasie immer wieder in neue Dimensionen.
Oh ja, das alles vermag Kunst. Also was will der so gar nicht glatte, rund geschliffene Geist, der uns hoffentlich noch erhalten geblieben ist, denn sonst noch.
Für alle Unkonformen, Suchenden und Phantasten hier und in den anderen TRAFO Galerien also ein kleiner Einblick in den phantastischen Kosmos von Erika Stürmer-Alex.
(Michael Pommerening, Regenmantel im März 2019)