5. 9. -  10. 11. 2020   Foto.Collage  Dietmar Ritter    EROS und die DIGITALE ROMANTIK

Worte zur Kunst

 

Die heute zu eröffnende Ausstellung möchte von Menschen erzählen, von Menschen und ihren Obsessionen, ihren Träumen, ihren Ängsten, Hoffnungen und Sehnsüchten und davon wie einmalig jeder Mensch ist.

 

Üblicherweise versuche ich in den Ausstellungen die Bezüge von Kunst und Gesellschaft herzustellen. Heute einmal will ich diesen Versuch einer Verbindung einmal nicht anstellen, sondern nur ausrufen: „Schaut her, hier ist einer, der gibt euch in seinen papiergewordenen Arbeiten, Einblick in sein Inneres, in seine Seele. Unverkrampft, schonungslos offen, …

 

Ich spreche hier von Dietmar Ritter, der uns heute in den drei TRAFO Galerien mitnimmt auf eine Reise in seine Lust, in sein Laster, in seine Sehnsucht nach Opulenz, in seine Welt der Romantik. Seine Fotoarbeiten erheben nicht vordergründig den Anspruch auf Kunst. Dietmar Ritter kann nicht anders, er muss fotografieren, collagieren, componieren und dies alles mithilfe der digitalen Welt. Und heraus kommt dabei ein Konvolut von Ideen und Träumen festgehalten in einem Augenblick.

 

Seine Fotos sind der Ausdruck seine Seele, sind digitale Romantik in Zeiten der Trostlosigkeit.

 

Ist zwischen Candle-Light Dinner via Skype, Liebesbriefen per WhatsApp, Facebook posts, Tinder Smileys überhaupt noch Platz für echte Romantik?

Heute werden Sehnsüchte und Wünsche in Datenapps gespeichert, lagern unsere Erinnerungen und Träume in Megaservern, von Megamaschinen gekühlt, damit sie nicht platzen.

 

Wir sind wieder an einem Punkt der Entzauberung angekommen, der alle hundert Jahre eintritt. Angesichts der Rationalisierungs- und Normierungszwänge des Industriezeitalters beklagten Philosophen schon im Jahre 1919 die "Entzauberung der Welt". Und schon davor im späten 18. Jahrhundert hatte sich die romantische Bewegung in England und Deutschland gegen das Regime der empirischen Vernunft und Aufklärung gewandt, gegen eine von der Rationalität vorangetriebene Entzauberung.

 

Diese kulturgeschichtliche Epoche der Romantik begann Ende des 18. Jahrhunderts mit der französischen Revolution. Maschinen ersetzten den Menschen, die Arbeitsteilung trennte Gemeinschaften und Familien, das Geld gewann an Bedeutung.

 

Eine neue Form der Romantik könnte auch heute eine Gegenbewegung zur drohenden Total-Quantifizierung unseres Lebens werden

Diese Entwicklung dauert bis heute an. Die Ich-Optimierung im Zeitalter des Auslagerns von Sehnsüchten und Gefühlen in kalte, tote Apps lässt die Menschen oft in Depressionen verfallen, vom Mut zum Leben und Entdecken des Anderen verlassen.

Die Quantifizierung des Lebens ist ein großes Versprechen. Alles sollte besser werden. Die Arbeit, die Gesundheit und letztlich der Mensch.

Als einzige Gegenwehr bleibt den Menschen oft nur die Flucht in andere Welten, in Drogen, Alkohol, Sekten und Verschwörungsmärchen.

 

Anders die Eros- Romantiker. Sie lassen raus, leben aus, genießen ausgelassen und das meist in der Gemeinschaft, oder im Fotostudio.

Sie erkunden spielerisch eine Welt zwischen devot und Dominanz, zur Schaustellung und Voyeurismus, zwischen Himmel und Hölle und das mit nicht nachlassender Lust und Freude, spielerische und verträumt.

Die Arbeiten von Dietmar Ritter zeigen uns diese sinnliche Lust und ausufernder Freude.

 

In seinen Fotos kommt zusammen, was eigentlich nie zusammengehörte. Er collagiert Fotos, oft in erotischem Gestus aufgenommen, mit anderen Welten, zu einem anderen Zeitpunkt, an einem anderen Ort, aufgenommen, manchmal aus der weiten welt des Internets kopiert, zu eigenwilligen Kunstwerken. Anders als so mancher „ernste“ Künstler, der sich oft um sein eigenes Inneres dreht, lässt Dietmar Ritter hier seine Seele nach außen reisen, gibt Sehnsüchte und Phantasien frei, die wir uns nicht trauen freizugeben, abgehalten von gesellschaftlich trainierte Scham.

 

Romantiker gelten heute meistens als unmodern. Wir sind doch alle nüchtern, realistisch und pragmatisch. Die Realisten tappen im Dunkeln. Die Romantiker aber kannten und kennen sich im Dunkeln aus. Für sie ist die Realität ein Ansporn, eigene Wirklichkeiten zu schaffen.

 

Dies tut Dietmar Ritter gemeinsam mit seiner Frau Susanne Schweigert auf sehr sinnliche Weise. Sie leben auch im Alltag in einer Welt der Romantik. Das reicht von den eigenen 4 Wände bis hin zu den Fotoarbeiten als Ausdruck gelebter Erotik und Sehnsucht nach einer anderen Welt. Folgen sie den beiden ein Stück und schauen sie in ihr Inneres, ob da nicht auch manchmal ein erotisches Wesen in Lack und Leder darauf wartet wachgeküsst zu werden.

 

Nur keine Scham, wir haben sie auch nicht. 

 

(Michael Pommerening, September 2020)

9.5. - 3.7.2020 Lothar Thomas    Arbeiten in Holz/Malerei

7. März bis 7. Mai 2020    Matthias Lück      Malerei

Foto: I.Rath

WORTE.

 

Heute eröffnen wir eine Ausstellung mit Arbeiten von Matthias Lück, der wir den Titel Rebellion und Illusion gegeben haben.

 

Aber was hat Kunst mit Rebellion zu tun? Illusion…ja schon-, aber Rebellion?

 

Das Wort Rebellion kommt vom französischen Wort rébellion – was so viel wie Aufruhr, Empörung bedeutet und hat im 16. Jahrhundert Eingang gefunden in die deutsche Sprache. Rebellion leitet sich auch vom Substantiv Rebell ab, jemand der sich auflehnt, widersetzt. Ein Rebell ist ein Aufrührer, ein Empörer.

 

Matthias Lück lässt in seinen Bildern ahnen, was Kunst schon seit Menschen-gedenken angetrieben hat- das Verändern, das Denkanstoß -Geben, das Über- Den- Haufen- Werfen von verkrusteten Strukturen, das sich Empören.

Der Künstler also als Rebell?

 

Ja und das immer dann, wenn sich Kunst als ein Teil eines gesellschaftlichen Prozesses sieht, der ständig an Umwandlungen Interesse und Teilhabe hat. Diese Umwandlung von der uns  umgebenden Wirklichkeit, in eine erdachte provozierende, durch seine Kunstwerke provozierte Wirklichkeit.

 

Ob Bosch, Goya, Kandinsky, Miro oder Andy Warhol- in jeder Kunstepoche gab es die Wilden, die Veränderer, die neue Sichtweisen Provozierende, die, die keinen Stilstand wollten.

 

Sie alle hat oft schleichend aber doch konsequent der Konsum vereinnahmt, mit seiner Genialität, alles Neue zu instrumentalisieren und damit zu neutralisieren. Allein Banksy vielleicht mit seiner Street art versucht sich diesem Raubangriff zu entziehen. Und das geht konsequent wie kürzlich geschehen bis zur Vernichtung seiner Kunstwerke vor den Augen zahlungskräftiger Bieter.

Aber auch ohne die Rebellion vordergründig in seine Bilder zu positionieren versucht Matthias Lück gesehenes, erlebtes und erfahrenes neu zu kombinieren. Es kommt zusammen, was so nie zusammengehörte. Dabei helfen ihm seine Phantasie und seine Träume….vielleicht auch die von einer anderen Welt.

 

Ob die Kombination von Meissner Porzellan und Kanonen, einst beides deutsche Exportschlager - so das gleichnamige Bild, hohe Flammen in ländlicher Idylle, oder eine mit Kindern spielende Familie vor Resten einer Großwildjagd…all das  zeigt auf ganz subtile Weise die Widersprüche unserer Zeit, das Nebeneinander von Idylle und Chaos.

 

Die Kunst von Matthias Lück beschreibt einen widersprüchlichen Blick auf die Wirklichkeit. Er bringt die Elemente der Gewalt und der Zerstörung, die sich hinter der Fassade bürgerlicher Zivilisation – nämlich der konstruierten Idylle- verstecken in einen neuen Sinnzusammenhang. Die höfliche Zurückhaltung, der "gute Geschmack", die bürgerlichen Normen der Gesellschaft sind in Wahrheit nichts mehr als eine Fassade, bestrebt Armut in Geist und Lebenswirklichkeit, Ausbeutung und Unterdrückung zu verbergen.

Kitsch, Bloggerwahn, Datingshows und Dschungle-Perversion sind nichts anderes als Instrumente dieser Illusionsmaschinerie, die täglich nichts anderes tut, als uns von den wichtigen Dingens des Lebens hin zu diesen fragwürdigen Segnungen der Konsumgesellschaft zu lenken.

Verzicht, Bescheidenheit, Demut der Natur gegenüber sollten unser Handeln bestimmen, nicht aber bunter, schriller, zuckersüsse Konsum der uns immer weiter ins Chaos treibt.

 

Zum Thema der untergegangenen DDR sagt der Regisseur Frank Casdorf:

Die DDR ist ja nicht abgeschafft worden, sie ist eingeschlafen. Und nun sitzen wir auf einem Karussell, das sich zu Tode dreht. Kollektive Verblödung und moralische Deformation haben einen geschichtlich einmaligen Stand erreicht."

Das ist heftig, aber trifft. Die angsterzeugende Berichterstattung über Klimawandel und Corona-Epidemie verzwergt alle anderen Tatsachen, auch die von der zunehmenden Unfähigkeit uns in dem von uns selber erzeugten Chaos zurechtzufinden. Und wenn Künstler wie Matthias Lück nicht wären, wer weiß, ob die Gefahr im zuckersüßen und choasbitteren Manipulationskarussel einzuschlafen, nicht auch uns treffen würde.

 

Kunst kann die Probleme der Menschen nicht lösen, aber sie kann einen Weg zeigen mit diesen umzugehen. Matthias Lück zeigt es uns in seinen  Werken einen Weg. Er selber geht diesen Weg mit dem Grün der Natur und der Naivität der Tiere. Er paart diesen Urzustand allen Lebens mit den fragwürdigen Dingen der Konsumgesellschaft, die uns alle satt, aber nicht glücklich machen?

Kunst darf keinen Meister akzeptieren, sei es die Kirche oder die Moschee, der Staat oder die Wirtschaft. Der Künstler muss frei sein, seinen Gefühlen und Überzeugungen Ausdruck zu verleihen. Diese künstlerische Freiheit ist unvereinbar mit einer nach stetigem Gewinn durch die Welt hastenden Gesellschaft, in welchem Banken und Monopole im Sinne der eigenen Profitinteressen entscheiden, was produziert wird – seien es T-Shirts oder Musik, Kunst oder Literatur.

 

Kunst sehnt sich nach Veränderung, nach dem natürlichen Zustand des Menschseins, nach Frieden und nach Liebe in harmonischer Einheit mit der Natur. Und hier sei der Begriff der Harmonie einmal ganz bewusst gebraucht.

 

Diese Sehnsucht eint uns und zeichnet uns als Menschen aus. Diese Sehnsucht treibt uns jeden Tag voran, trotz Hass und Krieg. Sie ist es auch, die Matthias Lück vor seine Staffelei treibt.

 

Und wenn uns dann so wunderbare Kunstwerke wie die von Matthias Lück begegnen und begleiten, dann ja dann besteht noch Hoffnung, für den nächsten Tag, den nächsten Weg…für uns.

 

(Michael Pommerening, Regenmantel im März 2020)

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